Die kurze Antwort vorausgeschickt:
gemahnend muss im Genitiv stehen. Um zu erklären, warum das so ist und welche Endung demnach die richtige ist, muss zunächst einmal festgestellt werden, wer oder was in dieser ziemlich komplexen Nominalgruppe von wem abhängt.
Eine
Nominalgruppe (auch: Nominalphrase) ist eine Wortgruppe mit einem Substantiv oder einem Pronomen als Kern. Der Kern einer Wortgruppe hat eine gewisse „Macht“ über andere Wörter in derselben Wortgruppe und so hat
Lieblichkeit als Kern der Nominalgruppe
die Lieblichkeit des an Hyänen gemahnenden/s Tieres zum einen natürlich die Macht, den dazugehörigen Artikel in eine bestimmte Form zu pressen. Da
Lieblichkeit Nominativ oder Akkusativ Singular Femininum ist, muss sich der Artikel daran anpassen. Ergebnis:
die Lieblichkeit. Desweiten hat ein Substantiv wie
Lieblichkeit die Macht,
Genitivattribute an sich zu binden, d.h. man kann dem Substantiv ohne Weiteres noch eine Nominalgruppe im Genitiv beifügen (in Ihrem Fall
die Lieblichkeit des Tieres).
Nun kann die Nominalgruppe
des Tieres wiederum durch Attribute erweitert werden und dies geschieht in Ihrem Beispiel durch das adjektivisch gebrauchte
Partizip I gemahnend. Ursprünglich vom Verb
gemahnen abstammend, wird das Partizip I wie ein Adjektiv flektiert (dekliniert) und kann wie ein
Adjektivattribut zu einem Substantiv dazugesetzt werden. Dabei muss es sich aber wie der Artikel hinsichtlich des Kasus, des Numerus und des Genus mit dem Substantiv abstimmen, d.h.
gemahnend muss wie
Tieres in den Genitiv Singular Neutrum gebracht werden. Und eben an dieser Stelle stoßen wir auf eine Besonderheit der deutschen Adjektivflexion.
Was vielen Muttersprachlern wahrscheinlich gar nicht bewusst ist, ist, dass es im Deutschen
zwei Arten der Adjektivflexion gibt: die starke und die schwache. Die starke Adjektivflexion zeichnet sich gegenüber der schwachen Adjektivflexion durch eine größere Bandbreite und Deutlichkeit der Endungen für die verschiedenen Kasus aus. Die Genitivendung
–es gibt es aber am Adjektiv gar nicht (mehr) – sowohl in der starken als auch in der schwachen Adjektivflexion endet der Genitiv im Neutrum Singular auf
–en.
|
starke Adjektivflexion |
schwache Adjektivflexion |
Nominativ |
wildes Tier |
das wilde Tier |
Genitiv |
wilden Tieres |
des wilden Tieres |
Dativ |
wildem Tier |
dem wilden Tier |
Akkusativ |
wildes Tier |
das wilde Tier |
Welche der beiden Flexionsarten jeweils zu wählen ist, hängt vom grammatischen Umfeld des Adjektivs ab. So stellt der Duden-Band 9 („Richtiges und gutes Deutsch“) die Regel auf, dass ein
Adjektiv schwach flektiert wird, „wenn ihm der bestimmte Artikel oder ein anderes Artikelwort mit Endung vorausgeht“ (S. 37). Dies ist in Ihrer Wortgruppe der Fall: Dem Adjektiv bzw. dem Partizip I geht der bestimmte Artikel
des voraus, weshalb hier entsprechend der obigen Tabelle zur schwachen Adjektivflexion gegriffen wird (
die Lieblichkeit des an Hyänen gemahnenden Tieres).
Schließlich stellt das Partizip I auch noch Forderungen, nämlich die nach der Präposition
an mit einem Akkusativ (die Fähigkeit, dies zu fordern, hat das Partizip vom Verb
gemahnen geerbt). Diese Forderung stellt es allerdings nicht an sich selbst, sondern wiederum an einen „Untergebenen“ in der Wortgruppe, nämlich die
Hyänen. Bei ihnen weist die Endung
–n tatsächlich auf einen Akkusativ hin, während das
–en an
gemahnenden aus den genannten Gründen für den Genitiv steht.