Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
Vers in der Elberfelder Bibel, Mk 2:4
Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
Vers in der Elberfelder Bibel, Mk 2:4
Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.
Sprachsystem
Ihre Frage bezieht sich auf den Gebrauch des Präsens im Beispielsatz und als sie es aufgebrochen hatten, lassen sie das Bett hinab. Alternativ schlagen Sie mit und als sie es aufgebrochen hatten, ließen sie das Bett hinab den Gebrauch des Präteritums vor.
Die unterschiedlichen Tempora dienen im Allgemeinen dazu, eine Aussage zeitlich zu situieren und damit anzugeben, wann etwas stattgefunden hat. Das Präsens ist dabei das unmarkierte Grundtempus, das laut der Dudengrammatik (Duden 4) die meisten Anwendungsbereiche hat. Seine charakteristische Funktion ist der Gegenwartsbezug, wobei sich das Präsens auf ein Geschehen bezieht, das im Sprechzeitpunkt abläuft und daher der Gegenwart zuzuordnen ist.
Beispiel
Es regnet.
Einen Sonderfall des Gegenwartsbezugs stellt die Aussage von Allgemeingültigem dar, wobei es sich um einen zeitlich unbegrenzten Bezug handelt.
Beispiel
Ein Wassermolekül besteht aus den Elementen Wasserstoff und Sauerstoff.
Das Präsens kann aber auch einen Zukunftsbezug ausdrücken. Laut der Dudengrammatik ist dies der Fall, wenn der Beschluss, eine Handlung auszuführen, zum Sprechzeitpunkt gefasst ist, auch wenn die eigentliche Handlung in der Zukunft liegt. Ein Zukunftsbezug durch das Präsens ist auch möglich, wenn durch Temporaladverbiale oder den Kontext der Äußerung der Bezug deutlich wird.
Beispiel
Ich schicke dir eine Mail.
Morgen fahre ich nach Rom.
Neben Gegenwarts- und Zukunftsbezug kann mit dem Präsens auch ein Vergangenheitsbezug hergestellt werden. Nach der Dudengrammatik kann das Präsens dabei das Präteritum in seiner charakteristischen vergangenheitsbezogenen Funktion ersetzen. Man spricht in diesem Fall auch von dem historischen Präsens. Dies kann zum einen in Form des epischen Präsens als Erzähltempus dienen, wobei es sich um ein konventionalisiertes Stilmittel bei Erzählungen handelt. In der Dudengrammatik wird dazu folgendes Beispiel angeführt:
Beispiel
In diese Weimarer Situation wird Christianes Vater am 12. November 1725 hineingeboren. Ihm ergeht es anders als Goethes Vater, der, als er zwanzig Jahre alt ist und den Vater verliert […]
Neben dem epischen Präsens taucht in Erzählungen häufig das szenische Präsens auf. Dies dient häufig einer Vergegenwärtigung der Situation und hat den Effekt, dass ein vergangenes Geschehen in die Gegenwart oder der Sprecher in die Vergangenheit transponiert wird. Dazu gibt die Dudengrammatik folgendes Beispiel:
Beispiel
Da liege ich doch gestern auf der Couch und lese, kommt Ingeborg leise ins Zimmer und gibt mir einen Kuss.
Der Unterschied zwischen dem epischen und szenischen Präsens ist, dass das epische Präsens ein Erzähltempus beschreibt, das sich durch eine gesamte Erzählung zieht, wohingegen das szenische Präsens nur an einzelnen Stellen auftritt und damit eine deutlich stärkere Wirkung erzielt.
Dies ist auch in Ihrem Beispiel der Fall. Das Plusquamperfekt im Satz und als sie es aufgebrochen hatten, ließen sie das Bett hinab drückt dabei die Vorzeitigkeit vor der Handlung im Präsens aus und verdeutlicht so die zeitliche Abfolge der Geschehnisse. Die Verwendung des Präsens mit Vergangenheitsbezug ist, wie die verschiedenen Beispiele zeigen konnten, im Sprachgebrauch allgemein keine Seltenheit. Die Verwendung des Präsens im Nebensatz in Verbindung mit dem Plusquamperfekt im Hauptsatz ist jedoch eher ungewöhnlich und kann daher zu Verunsicherungen geführt haben. Da die Nutzung des szenischen Präsens kontextabhängig ist, kann es hilfreich sein, die entsprechende Textstelle näher zu betrachten.
Wie an den Hervorhebungen zu erkennen ist, sind die Verse gekennzeichnet durch einen Wechsel aus Präteritum (Vers 2, 4, 5), szenischem Präsens (Vers 3, 4,5) und Plusquamperfekt (Vers 4). Im Vergleich dazu sind die entsprechenden Verse in der Lutherbibel wie folgt übersetzt:Zitat:
Elberfelder Bibel Mk 2, 2-5:
2 Und es versammelten sich viele, so dass sie keinen Platz mehr hatten, nicht einmal vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. 3 Und sie kommen zu ihm und bringen einen Gelähmten, von vieren getragen. 4 Und da sie ihn wegen der Volksmenge nicht zu ihm bringen konnten, deckten sie das Dach ab, wo er war; und als sie es aufgebrochen hatten, lassen sie das Bett hinab, auf dem der Gelähmte lag. 5 Und als Jesus ihren Glauben sah, spricht er zu dem Gelähmten: Kind, deine Sünden sind vergeben.
Hier wird auf die Verwendung des szenischen Präsens verzichtet.Zitat:
Lutherbibel Mk 2, 2-5:
2 Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. 3 Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. 4 Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag. 5 Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.
Fazit: Prinzipiell ist der Gebrauch des Präsens als unmarkiertes Tempus mit Vergangenheitsbezug möglich. In Ihrem Beispiel besteht die Besonderheit, dass das szenische Präsens im Nebensatz auftritt, dessen Hauptsatz im Plusquamperfekt formuliert ist, was zunächst ungewöhnlich erscheint. Wie der Ausschnitt aus der Elberfelder Bibel gezeigt hat, sind die Verse hier aber durch einen ständigen Tempuswechsel gekennzeichnet. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass es sich bei der Formulierung und als sie es aufgebrochen hatten, lassen sie das Bett hinab um die bewusste Verwendung des szenischen Präsens handelt.
Die Variante und als sie es aufgebrochen hatten, ließen sie das Bett hinab, in der der zweite Teil im Präteritum steht, ist aus grammatikalischer Perspektive ebenfalls möglich. Das Präteritum verweist hier auf ein einzelnen Geschehnis, das einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit zugeordnet wird. Damit erfüllt das Präteritum hier seine charakteristische Funktion.