Ihre Frage betrifft den
Gebrauch des Personalpronomens er/sie/es im Infinitivsatz/Attributsatz mit identischem Bezugswort. Der zweite Satz in Ihrem Beispiel besteht aus einem Haupt- und einem Nebensatz: Der Hauptsatz besteht aus der Konjunktion
und, dem Prädikat
habe und dem Objekt
solche Lust. Das Subjekt wurde hierbei ausgespart, da
ich bereits im vorherigen Satz genannt worden ist (der Subjektbezug ist klar, deshalb kann hierbei
ich weggelassen werden):
Ich bin vor zehn Minuten aufgewacht. Und (ich) habe solche Lust, sie jetzt in deine Hände zu geben.
Bei dem anschließenden Nebensatz handelt es sich formal um einen Infinitivsatz, denn er enthält einen Infinitiv, nämlich
zu geben. Bestimmte Substantive wie
Lust sind für einen solchen Infinitivsatz prädestiniert, gleiches gilt z.B. für
Möglichkeit:
Ich habe die Möglichkeit, den Ring jetzt in deine Hände zu geben.
Funktional soll dieser Satz jedoch ein Attributsatz darstellen, denn seine Funktion innerhalb des Satzes soll darin bestehen, das Objekt
solche Lust näher zu beschreiben.
Und (ich) habe solche Lust, … Was für eine Lust?
die Lust, die ich jetzt in deine Hände gebe
Ihr Zweifelsfall kommt nun dadurch zustande, dass sich das Personalpronomen
sie statt
die innerhalb dieses Attributsatzes auf die Lust des Ichs beziehen soll. Hierbei ergeben sich nun folgende drei Probleme:
1. Betrachten wir uns die Bedeutung der einzelnen Wörter, sind zwei unterschiedliche Varianten von Lust gemeint: Die grammatische und als Wort realisierte
Lust ist jene, etwas in andere Hände zu geben, also die, von der grammatisch der nachfolgende Infinitivsatz abhängt, wie oben schon erklärt:
Und (ich) habe solche Lust, sie jetzt in deine Hände zu geben.
Die Lust, auf die sich das Personalpronomen
sie zurückbeziehen soll, ist jedoch die allgemeine Lust des Ichs, die gar nicht zuvor erwähnt ist.
2. Das Bezugsnomen, auf das zurückverwiesen werden soll, wird in der Regel weiter vorne im Satz oder im Text gesucht wird:
Ich stand vor einer Tür und hatte solche Lust, sie zu streichen.
Bei diesem Satz würde das
sie eindeutig auf
Tür und vermutlich selten bis gar nicht von einem Leser/einer Leserin auf
Lust bezogen werden.
3. Solche Konstruktionen mit Attributsatz werden in der Regel durch Relativ- oder Interrogativpronomen eingeleitet:
Max ist ein Lehrer, der/welcher sehr anschaulich unterrichtet.
Das Haus, das/welches/was man heute streichen möchte, liegt in der Nähe.
Leser/-innen könnten also nicht auf die Idee kommen, dass sich
sie auf
Lust bezieht, da hierfür das Relativ- oder Interrogativpronomen fehlt, weshalb Leser/-innen letztendlich zu dem Schluss kommen könnten, dass sich
sie auf etwas anderes beziehen muss. Dieses andere Bezugswort könnte in Ihrem Fall zum Beispiel
zehn Minuten sein, denn
sie kann auch als 3. Person Plural statt als 3. Person Singular gelesen werden.
Leser/-innen stoßen also beim Lesen Ihres Satzes auf Schwierigkeiten. Um diese zu umgehen, bieten wir Ihnen zwei Alternativen an:
Ihr Beispiel lässt sich unter anderem in eine Konstruktion mit Relativpronomen überführen, wodurch
Lust auch eindeutig die allgemeine Lust des Ichs bezeichnet und nicht mehr nur dazu dient, einen Infinitivsatz auszulösen:
Und (ich) habe eine solche Lust, die ich jetzt in deine Hände gebe/geben möchte.
Eine weitere Alternative wäre das Wiederholen oder Ersetzen des Substantivs anstelle des Personalpronomens:
Und (ich) habe solche Lust, die/meine (morgendliche) Lust jetzt in deine Hände zu geben.
Und (ich) habe solche Lust, die/meine Motivation jetzt in deine Hände zu geben.