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Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.
Ihre Frage betrifft den Modus des Verbs sein. Sie wollen konkret wissen, welche Konjunktivart in Ihrem Beispielsatz verwendet werden muss. Dafür machen Sie zwei Vorschläge:
Beispiel
Ich wäre eine Lehrerin. (Konjunktiv II)
Ich würde eine Lehrerin sein. (würde-Konjunktiv)
Betrachten wir dazu die Funktionsbereiche der jeweiligen Konjunktivvarianten. Der Konjunktiv II (auch Konjunktiv-Präteritum) wird prototypisch dafür verwendet, um etwas Mögliches zu beschreiben (Potentialität) oder etwas Unmögliches auszudrücken (Irrealität). Diese Verwendungsweisen illustrieren die folgenden zwei Beispiele:
Beispiel
Morgen könnte die Welt schon anders aussehen. (Potentialität)
Wärst du hier gewesen, dann wäre das alles nicht passiert. (Irrealität)
Entsprechend kann der Konjunktiv II in Ihrem Beispielsatz genutzt werden, wenn Sie ausdrücken wollen, dass die Sprecherin die Möglichkeit hat, Lehrerin zu werden, oder ihr dies unmöglich ist. Dies wird deutlich, wenn man den Satz mehr kontextualisiert:
Beispiel
Würde ich meinen Unterricht vorbereiten, wäre ich eine gute Lehrerin. (Potentialität)
Wenn ich die Examensprüfung bestanden hätte, wäre ich eine gute Lehrerin. (Irrealität)
Während im ersten Beispielsatz noch nicht ausgeschlossen ist, dass die Person den Unterricht vorbereitet und dadurch eine gute Lehrerin ist, ist es im zweiten Beispielsatz nicht mehr möglich. Dies liegt daran, dass das Nicht-Bestehen der Examensprüfung bereits eingetroffen ist, weswegen die Sprecherin keine gute Lehrerin mehr werden kann.
Es stellt sich nun die Frage, welche Funktion der würde-Konjunktiv erfüllt. Der würde-Konjunktiv wird im Deutschen vor allem dann verwendet, wenn Wortformen mehrdeutig sind, d.h. dass die Wortform für den Indikativ identisch mit der für den Konjunktiv ist, wie im folgenden Beispiel:
Beispiel
Er liebte sie.
Bei der Wortform liebte kann es sich hier sowohl um die 3. Person Singular Präteritum Indikativ Aktiv als auch um die 3. Person Singular Präteritum Konjunktiv Aktiv handeln. Um eindeutig anzuzeigen, ob hier der Indikativ oder der Konjunktiv gemeint ist, kann der Konjunktiv II durch den würde-Konjunktiv ersetzt werden und es somit lauten:
Beispiel
Er würde sie lieben.
In Bezug auf Ihr Beispiel lässt sich sagen, dass für das Verb sein keine solche Mehrdeutigkeit vorliegt, was das folgende Beispiel veranschaulicht:
Beispiel
Ich war eine gute Lehrerin. (1. Person Singular Präteritum Indikativ Aktiv)
Ich wäre eine gute Lehrerin. (1. Person Singular Präteritum Konjunktiv Aktiv)
Der würde-Konjunktiv wird auch dann gewählt, wenn der Konjunktiv II – wie in den folgenden Beispielen – veraltet wirkt:
Beispiel
Ich hülfe, wenn ich Gelegenheit dazu hätte.
Ich würde helfen, wenn ich Gelegenheit dazu hätte.
Wenn dies doch jetzt noch gälte/gölte!
Wenn dies doch jetzt noch gelten würde!
Die Form wäre erscheint jedoch nicht als so eine veraltete Konjunktivvariante.
Obgleich keiner der hier angeführten Gründe auf Ihr Beispiel zutrifft, erscheint die Verwendung des würde-Konjunktivs legitim, denn dieser kann ebenfalls zum Ausdruck von Potentialität und Irrealität verwendet werden. Zudem lässt sich für das Deutsche feststellen, dass sich der würde-Konjunktiv zunehmend im Sprachgebrauch durchsetzt, was mit einer Analytisierungstendenz der deutschen Sprache zusammenhängt, wie sie im folgenden Beitrag erläutert wird:
http://www.grammatikfragen.de/showth...prefixid=modus
Insgesamt lässt sich also sagen, dass beide Ihrer vorgeschlagenen Varianten im Deutschen aus sprachsystematischer Sicht möglich sind.