Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
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Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.
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In Ihrer Frage thematisieren Sie, welche Nebensatzarten nach dem Verb vergessen möglich sind. Dafür haben Sie zwei unterschiedliche Nebensatzarten vorgeschlagen, nämlich einmal einen Infinitivsatz und andererseits einen Dasssatz. Ein Infinitivsatz zeichnet sich dadurch aus, dass das Verb im Nebensatz als Infinitiv oder als zu-Infinitiv realisiert wird:
Vergiss nicht, das Fenster zu schließen.Der Dasssatz hingegen wird mit dem Subjunktor dass eingeleitet und enthält ein finites (gebeugtes) Verb:
Vergiss nicht, dass du morgen einen Arzttermin hast.Um nun der Frage auf den Grund zu gehen, warum diese beiden Satzstrukturen möglich sind, wird zunächst das Verb vergessen näher in den Blick genommen. Verben besitzen die Eigenschaft, bestimmte Elemente im Satz zu fordern und so die Satzstruktur festzulegen. Dies bezeichnet man als Valenz. Das Verb vergessen fordert laut dem elektronischen Valenzwörterbuch E-Valbu neben dem Subjekt ein Akkusativobjekt:
IchSubj, habe [unsere Verabredung]AkkObj. ganz vergessen.Laut E-Valbu kann dieses Akkusativobjekt jedoch verschiedenartig realisiert werden. Neben Dasssätzen sind auch Infinitivsätze möglich:
Alte Leute vergessen oft, dass sie auch einmal jung waren und Dummheiten gemacht haben.Die beiden Nebensatzarten unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Verbform, sondern auch hinsichtlich der notwendigen Elemente im Nebensatz. Laut Dudengrammatik (Duden Band 4) besitzt ein Dasssatz ein eigenes Subjekt, weshalb jeder Dasssatz in einen eigenständigen Hauptsatz umformuliert werden kann:
Die Leute, die spät nach Hause kommen, vergessen einfach, die Tür hinter sich abzuschließen.
Alte Leute vergessen oft, dass sie auch einmal jung waren und Dummheiten gemacht haben. -> Sie (alte Leute) waren auch mal Jung und haben Dummheiten gemacht.Bei einem Infinitivsatz hingegen ist kein Subjekt notwendig, da das Subjekt aus dem Hauptsatz aus für den Nebensatz gilt:
Vergiss nicht, dass du morgen einen Arzttermin hast. -> Du hast morgen einen Arzttermin.Vergiss nicht, das Fenster zu schließen. -> Vergiss nicht, dass du das Fenster schließen sollst.Nun soll Ihr Ausgangsbeispiel näher betrachtet werden:
Vergiss nicht, dass du morgen einen Arzttermin hast.Hier ist das Subjekt im Nebensatz das Pronomen du. Rein semantisch handelt es sich hierbei um eine Wiederaufnahme des implizierten Subjekts aus dem Hauptsatz, da der Imperativ vergiss in der zweiten Person Singular steht. Folglich kommt kein neues Subjekt hinzu, weshalb eine Umformulierung in einen Infinitivsatz möglich ist:
Vergiss nicht, morgen einen Arzttermin zu haben.Diese Variante ist zwar grammatisch unproblematisch, wirkt jedoch im Vergleich zum Dasssatz nicht geläufig. Dies liegt an der Semantik von Dasssätzen. Dieser Nebensatztyp drückt laut Dudengrammatik ein Faktum oder eine Annahme aus. In den meisten Fällen ist laut Dudengrammatik der Austausch mit einem Infinitivsatz möglich, ohne die Semantik zu verschieben:
Anna ist stolz darauf, die Denksportaufgabe gelöst zu haben./ Anna ist stolz darauf, dass die die Denksportaufgabe gelöst hat.Bei sogenannten faktiven Nebensätzen, welche mit wahr oder falsch bewertet werden können, ist der Anschluss mit dem Subjunktor dass üblich:
Dieses Mittel bewirkt, dass sich der Blutdruck stabilisiert.Daher ist die Umformulierung Ihres Beispiels in einen Infinitivsatz problematisch, da es sich hier um einen solchen Nebensatztypen handelt. Das Verb haben impliziert ein Resultat und legt den Anschluss in Form eines Dasssatzes nahe, um auszudrücken, dass es sich bei dem Arzttermin um eine Tatsache handelt. Es ist festzuhalten, dass die Semantik des Verbs im Nebensatz ausschlaggebend dafür ist, in welcher Form der Nebensatz realisiert werden kann. Der Austausch mit einem Infinitivsatz ist vor allem dann möglich, wenn der Nebensatz einen Wunsch oder eine Annahme ausdrückt. Zudem wird mit dem Dasssatz in Ihrem Beispiel Bezug auf die Zukunft genommen:Vergiss nicht, dass du morgen einen Arzttermin hast.Durch den Infinitivsatz hingegen wird diese Zukunftsbedeutung relativiert, da ein Ist-Zustand ausgedrückt wird:
Vergiss nicht, morgen einen Arzttermin zu haben.Der Infinitivsatz drückt folglich einen Gegenwartsbezug in Ihrem Beispiel aus. Da die ausgedrückte Zeitbedeutung für Ihr Beispiel ebenfalls abhängig ist von der Nebensatzart, können Dasssatz und Infinitivsatz für Ihr Beispiel nicht beliebig ausgetauscht werden.
Vergiss nicht, zuhause zu sein.
Vergiss nicht, dass du morgen einen Arzttermin hast!
Vergiss nicht, morgen zum Arzt zu gehen!
Vergiss nicht, dass du noch das Fenster schließen musst!
Vergiss nicht, das Fenster zu schließen!
Vergiss nicht, dass du das Geschenk für Ella mitbringen musst!
Vergiss nicht, das Geschenk für Ella mitzubringen!