In Ihrer Frage thematisieren Sie die Übereinstimmung (
Kongruenz) des grammatischen Geschlechts (
Genus) und des biologischen Geschlechts (
Sexus). Zunächst ist festzuhalten, dass jedes Substantiv im Deutschen ein festes Genus besitzt. In den meisten Fällen besitzt dieses grammatische Geschlecht keinen Zusammenhang zur Referenz:
Maskulin: der Löffel; der Hase
Feminin: die Gabel; die Maus
Neutrum: das Messer; das Meerschwein
Bei Personenbezeichnungen jedoch gibt es durchaus Zusammenhänge zwischen dem natürlichen Geschlecht einer Person und dem grammatischen Geschlecht:
Maskulin: der Mann, der Onkel, der Bruder
Feminin: die Mutter, die Tante, die Schwester
Für einige Substantive des Deutschen gibt es neben der maskulinen Form auch feminine Formen, welche durch den Wortbaustein (
Suffix)
-in am Wortende gebildet werden:
Chef – Chefin
Arzt – Ärztin
Freund – Freundin
Nun stellt sich die Frage, inwieweit das grammatische Geschlecht mit dem biologischen Geschlecht der Referenz übereinstimmen müssen, sofern eine Übereinstimmung hinsichtlich des Geschlechts gewährleistet werden kann. Dazu haben Sie folgendes Beispiel angeführt:
Sie ist mein bester Freund.
Das Pronomen
sie besitzt das Genus feminin und verweist darüber hinaus auf eine Person weiblichen Geschlechts. Hier stimmen Genus uns Sexus überein. Das Substantiv
Freund steht in diesem Beispiel im maskulin, obwohl hierfür eine weibliche Form existiert (
Freundin). Die maskuline Form Freund stellt ein sogenanntes
generisches Maskulin dar. Damit sind maskuline Formen gemeint, welche auf eine gesamte Personengruppe referiert, unabhängig vom Sexus der einzelnen Personen. Generische Formen finden vor allem dann Anwendung, wenn
verallgemeinernde Aussagen getroffen werden. Im Zuge des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs finden jedoch Bemühungen statt, die Übereinstimmung von Genus und Sexus weitestgehend umzusetzen. Laut dem Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle (Duden Band 9) stellt dies auch die Regel dar:
Sie ist meine beste Freundin.
Petra ist Besitzerin, Karl ist Besitzer des Hauses. (Beispiel aus Duden Bd. 9)
Sie gilt als beste Kundin. (Beispiel aus Duden Bd. 9)
Allerdings muss diese Kongruenz nicht zwangsläufig eingehalten werden, so beispielsweise bei generischen Aussagen. Laut dem Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle kann bei
Rollen- und Berufsbezeichnungen auch die
maskuline Form verwendet werden, da hier nicht auf die Person selbst, sondern auf ihre Rolle oder Tätigkeit referiert wird. Wenn Sie also ausdrücken möchten, dass es sich um den besten Freund aus der Menge aller Freundinnen und Freunden handelt, unabhängig des biologischen Geschlechts, so können Sie eine generische Aussage tätigen:
Sie ist mein bester Freund (aus der Menge aller Freundinnen und Freunde).
Die generische Aussage verleiht dem weiblichen besten Freund einen besonderen Stellenwert, da die Menge der Freunde sowohl aus weiblichen und männlichen Personen besteht.
Diese Lesart ist nur mit dem generischen Maskulin möglich. Mit der Aussage
Sie ist meine beste Freundin treffen Sie einerseits eine Aussage über das Geschlecht der betroffenen Person. Andererseits wird der Eindruck erweckt, dass es sich ausschließlich um die beste Freundin aus der Menge aller weiblichen Freundinnen handelt:
Sie ist meine beste weibliche Freundin. Peter aber ist mein bester männlicher Freund.
Das generische Maskulin legt demnach eine andere Lesart zugrunde. Es geht demnach nicht primär um die Frage nach der Kongruenz von Genus und Sexus beim Substantiv Freund, sofern auf eine weibliche Person verwiesen wird. Vielmehr wird durch die Generizität ein anderes Verhältnis des weiblichen besten Freundes im Verhältnis zur Menge aller Freundinnen und Freunde hergestellt. Diese Lesart ist durch die Variante mit Übereinstimmung von Genus und Sexus nicht möglich.
Fazit
Die generische Aussage
Sie ist mein bester Freund verleiht demnach dem weiblichen besten Freund einen anderen, höheren Stellenwert als die Aussage
Sie ist meine beste Freundin. Somit ist der Kontext ausschlaggebend dafür, welche Variante Sie verwenden. Rein grammatisch sind dabei beide Varianten zulässig. Das generische Maskulinum steht allerdings heute aus der Perspektive des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs in der Kritik. Wie die Erläuterungen gezeigt haben, kann es durchaus einen Mehrwert gegenüber Varianten mit Genus-Sexus-Kongruenz haben. Wenn Sie aber befürchten, mit dieser Formulierung in die Kritik zu geraten, sollten Sie überlegen, ob Sie Ihre Aussageabsicht auch anders realisieren können.