Hier liegt wiederum ein Problem der
Kongruenz zwischen Subjekt und finitem Verb vor. Es ist sozusagen eine Grundregel der deutschen Sprache, dass das finite Verb (also der Teil des Prädikats, der die Numerusmarkierung trägt) mit dem Subjekt hinsichtlich des Numerus abgestimmt wird. Normalerweise bereitet das den Sprechern auch gar keine Schwierigkeiten – steht das Subjekt im Singular, muss auch das finite Verb in den Singular gebracht werden, und genauso im Plural. Die Herstellung von Kongruenz läuft also quasi automatisch ab. Es gibt allerdings Fälle, bei denen selbst Muttersprachler ins Zweifeln geraten können, ob das finite Verb im Singular oder im Plural stehen muss.
Bei Ihrem Beispiel handelt es sich um einen
zusammengezogenen Satz, also um einen Satz, der aus zwei Sätzen zusammengezogen wurde. Beim Zusammenziehen zweier Sätze können Wörter eingespart werden, die in beiden Sätzen in identischer Form vorkommen. Das führt jedoch häufig zu Problemen, wenn zu dem identischen Wortmaterial auch das finite Verb gehört.
Beispiel
Bei einem Unfall
wurde der Fahrer getötet und der Beifahrer [wurde] verletzt. (Beispiel aus der Dudengrammatik)
Im obigen Beispiel kann das finite Verb
wurde einmal eingespart werden, da es im Satz
Bei einem Unfall wurde der Fahrer getötet bereits vorkam. Genauso kann in Ihrem Satz
Zuvor muss 1 Liter Öl eingefüllt und eine Schraube angeschraubt werden das Modalverb
muss einmal eingespart werden. Für solche zusammengezogenen Sätze mit nur einem finiten Verb stellt die Dudengrammatik die
Regel auf, dass sich das Verb nach dem näher stehenden Subjekt richtet (S. 1004, Abschnitt 1602). Das Subjekt, das dem finiten Verb in Ihrem Satz am nächsten steht, ist
1 Liter Öl. Dieses steht im Singular, weshalb nach der Dudenregel auch das finite Verb im Singular stehen muss, d. h. die Verbform
muss ist hier völlig korrekt.
Der Plural
müssen wäre möglich, wenn es sich bei
1 Liter Öl und
eine Schraube um
gereihte Subjekte handeln würde, die z. B. durch die Konjunktion
und miteinander verbunden wären.
Beispiel
1 Liter Öl und eine Schraube
müssen nachbestellt werden.
In diesem Fall käme die Duden-Kongruenzregel II für gereihte Subjektteile zur Anwendung, derzufolge die Reihung gesamthaft als Plural gilt, d. h. die einzelnen Subjekte werden zu einem Plural aufaddiert. Das finite Verb steht dann im Plural. In Ihrem Satz sind aber neben den Subjekten jeweils noch infinite Prädikatsbestandteile vorhanden (nämlich die Partizipien
eingefüllt und
angeschraubt), was für einen zusammengezogenen Satz spricht und nicht für gereihte Subjekte. Es kann daher sein, dass nicht alle Mitglieder der Sprachgemeinschaft in Ihrem Fall den Plural des finiten Verbs anerkennen.