Bei ihrem Zweifelsfall handelt es sich um einen relativ komplexen Fall, da das Problem hier auf mehrere Weisen entsteht. Zum einen betrifft ihr Zweifelsfall die
Kongruenz zwischen dem finiten Verb und dem mehrteiligen Subjekt. Zur Erklärung dieses Zweifelsfalls gibt es bereits vergleichbare Antworten:
http://www.grammatikfragen.de/showth...ixid=kongruenz
Zum anderen betrifft ihr Zweifelsfall jedoch auch die
Kongruenz zwischen dem Relativpronomen und dem dazugehörigen Bezugsnomen, was die Erklärung komplexer macht.
Zunächst soll auf die Kongruenz zwischen dem finiten Verb und dem mehrteiligen Subjekt eingegangen werden. Dabei bedeutet Kongruenz hier, dass das finite Verb im
Numerus mit dem Subjekt des Satzes übereinstimmen muss. Sprich, wenn das Subjekt im Singular steht, dann muss auch das finite Verb im Singular stehen. Steht das finite Verb hingegen im Plural, muss auch das Subjekt im Plural stehen.
Beispiel
Das Kind spielt.
Die Kinder spielen.
Diese Abstimmung von Subjekt und finitem Verb bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten. Bei ihrem Beispiel ist es jedoch etwas komplexer. Wir haben hier zwar „nur“ ein Relativpronomen vorliegen, welches das Subjekt bildet, dieses steht jedoch für ein
komplexeres Subjekt, was sich aus den unmittelbaren Schäden, den mittelbaren Schäden sowie dem verschärften Schadenersatz zusammensetzt. Zur Veranschaulichung wird der Beispielsatz als Hauptsatz ausformuliert, in dem das mehrteilige Subjekt deutlich wird:
Beispiel
Aus der Verwendung des Produkts entsteht/entstehen unmittelbare Schäden oder mittelbare Schäden oder ein verschärfter Schadenersatz.
Durch unterschiedliche Lesarten lassen sich beide Varianten sprachsystematisch begründen und haben somit auch ihre Berechtigung.
Eine erste Lesart ist die, dass bei diesem Beispiel ein
zusammengezogener Satz vorliegt, der aus mehreren Subjekten besteht, aber nur ein finites Verb aufweist. Das bedeutet, dass der Satz eigentlich aus mehreren Teilsätzen besteht, bei denen einzelne Satzbestandteile weggelassen worden sind. Rekonstruiert man diesen Satz, lautet er:
Beispiel
Aus der Verwendung des Produkts entstehen unmittelbare [Schäden] oder [aus der Verwendung des Produkts entstehen] mittelbare Schäden oder [aus der Verwendung des Produkts entsteht] ein verschärfter Schadenersatz.
Um die Komplexität dieser Konstruktion zu reduzieren, ist es möglich, dass finite Verb einzusparen. Dazu ein vereinfachtes Beispiel:
Beispiel
Die Kinder [gehen schwimmen] und die Jugendlichen gehen schwimmen.
Hier stellt es kein Problem dar, das erste finite Verb einzusparen, da es mit dem zweiten finiten Verb grammatisch gleich ist. Bei Ihrem Beispiel hingegen entsteht die Schwierigkeit, dadurch dass ein Teil der eingesparten finiten Verben im Plural steht, ein anderer Teil hingegen im Singular.
Möchte man Ihr Beispiel als zusammengezogenen Satz analysieren, bietet die Dudengrammatik zur Lösung dieses Zweifelsfalls die Regel an, dass sich das
finite Verb nach dem näherstehenden Subjekt richtet. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1614-1616) Dadurch wäre die folgende Variante die richtige Wahl:
Beispiel
Aus der Verwendung des Produkts entstehen unmittelbare [Schäden] oder mittelbare Schäden oder ein verschärfter Schadenersatz.
Es wäre demnach der Plural korrekt, da das näherstehende Subjekt die unmittelbaren Schäden sind, welche im Plural stehen. Bei ihrem Ausgangsbeispiel hingegen, wäre dann der Singular zu wählen, da das näherstehende Subjekt der verschärfte Schadenersatz wäre.
Dies ist jedoch nicht die einzige Lösung, die vom Duden vorgeschlagen wird. Denn auch die Wahl des Plurals ist sprachsystematisch begründbar. Eine zweite Lesart ist nämlich die, dass
mehrere Subjektteile miteinander aufaddiert werden können und so gemeinsam den Plural bilden. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1602)
Mit dieser Erklärung ist Ihr Zweifelsfall jedoch noch nicht gelöst, denn er betrifft darüber hinaus auch die
Kongruenz zwischen dem Relativpronomen und den Bezugsnomen. Dabei gibt es die Grundregel, dass ein Relativpronomen immer im
Numerus (Singular/Plural) mit dem Bezugswort übereinstimmen muss. In Ihrem Beispiel liegt ein Relativsatz vor, der sich sowohl auf die unmittelbaren Schäden als auch auf die mittelbaren Schäden sowie den verschärften Schadenersatz bezieht. Dieser wird mit einem Relativpronomen eingeleitet. Dieses Relativpronomen muss nun mit den eben angeführten Bezugswörtern im Numerus übereinstimmen. Ein einführender Satz als Beispiel:
Beispiel
Das
Kind (= Nominativ, Singular, Neutrum),
dessen (= Genitiv, Singular, Neutrum) Mutter meine Freundin ist, strahlt vor Freude.
Das Problem bei Ihrem Zweifelsfall entsteht dadurch, dass sich das Relativpronomen
auf mehrere Substantive bezieht, die mit der
disjunktiven Konjunktion oder miteinander verbunden sind. Dadurch ist es unklar, in welchem Numerus die Bezugsphrase steht, da ein Teil der Substantive im Plural steht, ein anderer Teil hingegen im Singular:
Beispiel
Der Sponsor haftet nicht für
unmittelbare [Schäden] (= Akkusativ, Plural, Maskulinum) oder
mittelbare Schäden (= Akkusativ, Plural, Maskulinum) oder für
verschärften Schadenersatz (= Akkusativ, Singular, Maskulinum), der/die aus der Verwendung des Produkts entsteht/entstehen.
Durch diese Unsicherheit in Bezug auf den Numerus der Bezugsphrase entsteht die Frage, wie das Relativpronomen anzupassen ist.
Die Dudengrammatik bietet zur Lösung dieses Problems die von Ihnen angesprochene Regel an. Diese lautet, dass sich das Pronomen
nach dem zunächst stehenden Bezugswort richtet, wenn die einzelnen Bezugsworte mit einem oder verbunden sind. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1594) Das am nächsten stehende Bezugswort ist Schadenersatz. Dieses steht im Singular, weswegen auch das Pronomen im Singular stehen muss. Wendet man diese Regel auf Ihr Beispiel an, dann lautet die
richtige Variante:
Beispiel
Der Sponsor haftet nicht für unmittelbare oder mittelbare Schäden oder für verschärften Schadenersatz, der aus der Verwendung des Produkts entsteht.