Bei der Form
Ich bin am Schreiben handelt es sich um eine Verlaufsform, den sogenannte
Progressiv, der gebildet wird aus
sein und einem
Infinitiv in Verbindung mit
am, beim oder
im.
Beispiel
Wir sind am Essen.
Er ist am Arbeiten.
Sie sind im Weggehen.
Diese Verlaufsformen beschreiben laut dem Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle (Duden 9) einen Vorgang oder Zustand ohne zeitliche Begrenzung im Sinne von
dabei sein, etwas zu tun. Sie sind also vergleichbar mit der englischen Progressivform, laut der Dudengrammatik (Duden 4) im Gegensatz zu dieser jedoch nicht voll grammatikalisiert.
Beispiel
He is reading a book.
Er liest ein Buch / Er ist am Lesen.
Der Progressiv kann sprachsystematisch in die Kategorie der Verbalkomplexe eingeordnet werden. Als Verbalkomplex wird eine Wortverbindung bezeichnet, die ein infinitregierendes Verb und eine davon regierte infinite Form eines Vollverbs (Partizip II, Infinitiv oder zu-Infinitiv) enthält.
Beispiel
Wir
haben [infinitregierendes Verb] etwas
gegessen [Partizip II].
Bei den Progressivformen wie
Ich bin am Schreiben oder
Er ist beim Arbeiten sind die Formen von
sein die infinitregierenden Verben, die mit
Schreiben oder
Arbeiten die jeweils infiniten Formen der Vollverben fordern. Das
am kann in diesem Fall als eine Art Progressivpartikel angesehen werden. Inzwischen wird der am-Progressiv in der Fachliteratur vermehrt als eine verbale Kategorie eingeordnet. Die Konsequenz dieser Sichtweise wäre dann die Kleinschreibung des Infinitivs.
Verwendet wird der Progressiv laut der Dudengrammatik vorzugsweise bei Tätigkeitsverben, die ohne weitere Ergänzungen stehen.
Beispiel
Wir essen
Nudeln.
Wir sind am Essen.
Dabei tritt der Progressiv in der gesprochenen Sprache häufiger auf als in der Standardschriftsprache, wobei in geschriebener Sprache laut dem Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle vor allem die Progressive mit
beim und
im üblich sind. Der am-Progressiv wird demnach überwiegend in der gesprochenen Sprache verwendet.