Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.
Sie möchten wissen, wie der folgende Satz grammatisch zu analysieren ist:
Beispiel
Wenn die Frühschrift wieder zugänglich geworden ist, dann muss es dafür Motive geben, die hinausgehen über den Trieb zu Gesamtwerk-Editionen.
Diesbezüglich haben Sie bereits einige richtige Analysen getroffen. Der Nebensatz
Wenn die Frühschrift wieder zugänglich geworden ist ist ein Konditionalsatz, der mit Bezug auf den Hauptsatz die Funktion eines Adverbiales übernimmt. In diesem Satz handelt es sich bei
wenn um einen Subjunktor, der einen Nebensatz mit Verbletztstellung einleitet.
Die Frühschrift ist das Subjekt des Teilsatzes und
wieder ein Temporaladverbial. Das Wort
zugänglich übernimmt die Funktion eines Prädikativums und der Verbalkomplex
geworden ist bildet das Prädikat.
Der Hauptsatz beginnt schließlich mit dem Wort
dann. In diesem Satz übernimmt es die Funktion eines Korrelats, also eines Worts, „das auf einen vorausgehenden oder nachfolgenden Nebensatz bzw. eine Infinitivkonstruktion verweist“. Hier verweist das
dann zurück auf den vorangegangenen Konditionalsatz. Das Prädikat des Hauptsatzes wird gebildet aus dem Modalverb
muss und dem Vollverb
geben.
Es übernimmt hier die Funktion eines Subjekts. Dies lässt sich daran erkennen, dass
es kongruent zum finiten Bestandteil des Prädikats ist, welcher durch das Wort
muss realisiert wird. Dabei besteht die Besonderheit darin, dass
es in diesem Fall als unpersönliches
es verwendet wird, d.h.
es bezieht sich auf nichts Konkretes in der Welt.
Es übernimmt zwar formal die Funktion eines Subjekts und erfüllt die typischen Eigenschaften, lässt sich aber anders als das Stellvertreter-
es durch keine Nominalgruppe ersetzen, die auf irgendetwas in der Wirklichkeit referiert. (Vgl. dazu Dudengrammatik, Randnummer 1261)
Sie fragen nun explizit nach der Funktion des Wortes
dafür. Bei diesem Wort handelt es sich formal betrachtet um ein Pronominaladverb. Pronominaladverbien sind Adverbien, die gebildet werden aus
da(r)-,
hier- oder
wo(r)- + Präposition. Ähnlich wie Pronomen haben sie eine Stellvertreterfunktion, bei der sie eine Präpositionalgruppe vertreten, was das folgende Beispiel illustriert:
Beispiel
Ich danke dir
für das Buch (= Präpositionalgruppe).
Ich danke dir
dafür (= Pronominaladverb).
Die Funktion eines Pronominaladverbs gleicht der Funktion der von ihm vertretenden Präpositionalgruppe. Formuliert man den Teilsatz mit einer Präpositionalgruppe aus, dann könnte er beispielsweise lauten:
Beispiel
Es muss Motive geben für das Wiederzugänglichmachen der Frühschrift.
In diesem Satz übernimmt die Präpositionalgruppe
für das Wiederzugänglichmachen der Frühschrift die Funktion eines Präpositionalobjekts. Präpositionalobjekte unterscheiden sich funktional von Präpositionalattributen und präpositionalen Adverbialen durch folgende Merkmale:
1. Anders als Präpositionalattribute haben sie Satzgliedstatus und bestimmen keine Nominalgruppe näher.
2. Im Gegensatz zu Präpositionaladverbialen hängen sie eng mit dem Verb des Satzes zusammen. Wie eng der Zusammenhang einer Präpositionalgruppe und einem Verb ist lässt sich durch zwei Tests herausfinden:
a) Ersatzprobe durch eine andere Präposition: Lässt sich die Präposition aufgrund ihrer Eigensemantik durch eine andere Präposition austauschen, dann hängt sie nicht vom Verb ab. Hängt die Präposition nicht vom Verb ab, dann handelt es sich um ein präpositionales Adverbial. Lässt sich die Präposition nicht austauschen, dann liegt ein Präpositionalobjekt vor. In Ihrem Beispiel lässt sich die Präposition
für nicht durch eine andere Präposition ersetzen, was für das Vorliegen eines Präpositionalobjekts spricht.
b) Ersatzprobe durch ein Pronominaladverb mit darauf folgendem Nebensatz ersetzen: Lässt sich die Präpositionalgruppe durch ein Pronominaladverb mit darauf folgendem Nebensatz ersetzen, dann handelt es sich um ein Präpositionalobjekt. Dies ist in bei diesem Satz möglich, wie die folgende Umformulierung zeigt:
Beispiel
Es muss Motive dafür geben, dass die Frühschrift wiederzugänglich gemacht wurde.
Da also
für das Wiederzugänglichmachen der Frühschrift die Funktion eines Präpositionalobjekts übernimmt, trifft dies ebenfalls auf das Pronominaladverb
dafür zu.
Betrachtet man Ihren Satz weiter, dann übernimmt der Nominalausdruck
Motive die Funktion eines Akkusativobjekts mit Bezug auf das Verb
geben. Es folgt ein Attributsatz in Form eines Relativsatzes, der das Substantiv
Motive näher bestimmt. Dieser Relativsatz, wird mit dem Relativpronomen
die eingeleitet, welches zeitgleich das Subjekt des Attributsatzes bildet. Das Prädikat dieses Teilsatzes ist das Verb
hinausgehen, an das das Präpositionalobjekt
den Trieb zu Gesamtwerk-Editionen anknüpft.
Zu Gesamtwerk-Editionen übernimmt die Funktion eines Präpositionalattributs zu dem Substantiv
Trieb.
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