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"Auf Bergtouren gilt es stets das Wetter zu beobachten." Muss nach "gilt es" ein Komma stehen?
Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
Beim Korrekturlesen
Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
Duden 9, Heuer, Grammis
Argument für Weglassen des Kommas: Hier wird "gelten" modifizierend verwendet, also wie ein Modalverb.
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Kommasetzung bei Infinitivgruppen mit einem Korrelat im übergeordneten Satz
Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Da es sich bei Ihrer Frage um keinen den Sprachgebrauch betreffenden grammatischen Zweifelsfall handelt, sondern um eine Frage zur Orthographie, wird hier auf unser auf Zweifelsfälle ausgerichtetes Antwortschema mit den Icons verzichtet. Wir möchten Sie dennoch bitten, unseren kurzen Fragebogen zur Bewertung unserer Antwort auszufüllen.
In Ihrer Frage thematisieren Sie den Bereich der Kommasetzung und haben dazu folgendes Beispiel angeführt:Auf Bergtouren gilt es (,) stets das Wetter zu beobachten.
Um der Frage nach der Kommasetzung nachzugehen, soll zunächst die Struktur des Satzes näher betrachtet werden. In Ihrem Beispiel liegt mit stets das Wetter zu beobachten ein sogenannter Infinitivsatz mit zu-Infinitiv (zu beobachten) vor. Inwieweit Infinitivsätze von dem übergeordneten Satz durch ein Komma abgegrenzt werden müssen, ist im amtlichen Regelwerk für Deutsche Rechtschreibung festgelegt. Gemäß §75 gibt es diverse Bedingungen, unter denen der Infinitivsatz von dem übergeordneten Satz durch ein Komma abgegrenzt werden muss. So wird beispielsweise ein Komma gesetzt, wenn die Infinitivgruppe von einem Korrelat abhängt:Anita liebt es, lange auszuschlafen.
Werner hat es nie bereut, diese Ausbildung gemacht zu haben.
Es missfällt mir, diesen Vertrag zu unterzeichnen.
Laut Dudengrammatik (Duden Bd. 4) liegt dann ein Korrelat vor, wenn das Pronomen es auf den nachfolgenden Nebensatz verweist. Auch in Ihrem Beispiel liegt mit es ein Korrelat vor:Auf Bergtouren gilt es(,) stets das Wetter zu beobachten.
Das Korrelat verweist in Ihrem Beispielsatz auf das Beobachten des Wetters, wie die Umformulierung zeigt:Auf Bergtouren gilt das Beobachten des Wetters.
Da in Ihrem Beispiel ein Korrelat vorliegt, wird der Infinitivsatz durch ein Komma vom übergeordneten Satz abgegrenzt:Auf Bergtouren gilt es, stets das Wetter zu beobachten.
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"Es gilt das Wetter zu beobachten." Komma auch hier nötig?
Danke für die Antwort. Was aber, wenn der Satz einfach lautet: "Es gilt das Wetter zu beobachten." Da ist "es" doch nicht Korrelat. Ist dennoch ein Komma nötig? Wenn nicht, stellt sich beim ursprünglichen Satz die Frage, ob das Komma auch dann zwingend ist, wenn der Satz so gemeint ist:
"Auf Bergtouren gilt es stets(,) das Wetter zu beobachten."
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Infinitivsatz vs. Halbmodal
Sie haben in Ihrer Rückfrage zwei Problembereiche angesprochen. Einerseits gilt es zu erörtern, welche Auswirkungen der Wegfall des Korrelats in dem Ausgangsbeispiel für die Kommasetzung besitzt. Andererseits ist zu diskutieren, zu welchem Teilsatz das Adverbial stets gezählt werden kann. Zunächst soll jedoch Ihr Ausgangsbeispiel ohne Korrelat untersucht werden:Auf Bergtouren gilt (,) stets das Wetter zu beobachten.
Diese Variante wird im amtlichen Regelwerk für Deutsche Rechtschreibung nicht explizit aufgeführt. Laut §75 (E1) des amtlichen Regelwerks gilt prinzipiell, dass Sie Infinitivgruppen mit einem Komma vom übergeordneten Hauptsatz abgrenzen können, um eine Gliederung deutlich zu machen. Demnach ist das Komma ohne Korrelat im übergeordneten Satz fakultativ. Die Variante ohne Korrelat lässt jedoch zugleich die Lesart zu, dass gelten in diesem Beispiel wie ein Halbmodal verwendet ist. Halbmodale sind laut Dudengrammatik (Duden Band 4) Verben, welche den zu-Infinitiv regieren. Modalverben hingegen regieren den reinen Infinitiv:Das Wetter verspricht besser zu werden. (Beispiel aus der Dudengrammatik)
Die Gebühren sind sofort zu zahlen. (Beispiel aus der Dudengrammatik)
Auf Bergtouren gilt stets das Wetter zu beobachten.
Auf Bergtouren ist stets das Wetter zu beobachten.
Auf Bergtouren muss man das Wetter beobachten.
Bei der Lesart von gelten als Halbmodal wird der zu-Infinitiv nicht durch ein Komma abgegrenzt, da alle verbalen Bestandteile des Satzes gemeinsam das Prädikat bilden. Je nachdem, ob Sie die Infinitivgruppe weiterhin als eigenständig erachten, können Sie ein Komma zur Gliederung setzen. Fassen Sie gelten jedoch so auf, dass es sich in dem besagten Beispiel wie ein Halbmodal verhält und den zu-Infinitiv regiert, so wird kein Komma gesetzt.
Abschließend soll die Frage abgehandelt werden, an welcher Stelle das Komma in dem Ausgangsbeispiel vorkommen kann. Dazu haben Sie zwei Varianten angesprochen:Auf Bergtouren gilt es, stets das Wetter zu beobachten.
Auf Bergtouren gilt es stets, das Wetter zu beobachten.
Bei stets handelt es sich in diesem Beispiel um ein temporales Adverbial. Prinzipiell können Adverbiale in Haupt- wie Nebensätzen erscheinen, da sie nur selten vom Verb gefordert sind (im Unterschied zu Subjekt und Objekt). Auch in diesem Beispiel ist stets keine Ergänzung und kann daher frei im Haupt- oder Nebensatz stehen. Je nachdem, wie Sie das Komma setzen, verändert sich dabei die Lesart:Auf Bergtouren gilt es, stets das Wetter zu beobachten. (Das Wetter muss immer beobachtet werden, wenn man eine Bergtour macht.)
Auf Bergtouren gilt es stets, das Wetter zu beobachten. (Auf Bergtouren ist es immer notwendig, das Wetter zu beobachten.)
Daher können Sie sich bei der Variante mit Korrelat frei entscheiden, ob Sie das Komma vor oder nach der adverbialen Bestimmung stets setzen, je nachdem, welche Lesart Sie bevorzugen.
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Geändert von Vanessa Langsdorf (23.07.2019 um 14:20 Uhr)
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Einerseits gilt es zu erörtern, ...
Vielen Dank; mit der Einleitung "Einerseits gilt es zu erörtern, …" ohne Komma nach "es" und mit der anschliessenden Einstufung von "gelten" als Halbmodalverb haben Sie meine ursprüngliche Frage beantwortet. Hingegen scheint mir der Satz "Auf Bergtouren gilt stets das Wetter zu beobachten" nicht korrekt zu sein; da muss doch "es" hinein, nur muss es nicht zwingend als Korrelat für "das Wetter zu beobachten" aufgefasst werden – als unpersönliches Sujekt leistet es ebenfalls gute Dienste.
Geändert von Vanessa Langsdorf (25.07.2019 um 12:20 Uhr)
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Lieber Nutzer Danigold,
ich danke Ihnen für Ihre Rückmeldung. Sie weisen zu Recht darauf hin, dass die Variante ohne Korrelat Auf Bergtouren gilt stets das Wetter zu beobachten dahingehend hinterfragt werden muss, ob der Satz in dieser Form vollständig ist. Der Fokus bei der Beantwortung Ihrer Frage lag jedoch darauf, Ihr Beispiel ohne Korrelat in Hinblick auf mögliche oder notwendige Kommasetzung zu analysieren. Dass das Korrelat möglicherweise für die Korrektheit des Satzes erforderlich ist, war für die Frage nach der Kommasetzung sekundär. Relevant war an dieser Stelle, aufzuzeigen, dass die obligatorische Bedingung für das Komma ohne Korrelat nicht mehr gegeben ist und sich daraufhin verschiedene Lesarten und infolgedessen Möglichkeiten zur Kommasetzung bieten. Die problematische Variante wurde demnach in Kauf genommen, um das eigentliche Anliegen zu illustrieren.
Mit freundlichen Grüßen
Vanessa Langsdorf
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aber duden.de: "es gilt, sich zu entscheiden"
Liebe Frau Langsdorf
Ich danke Ihnen für die eingehende Beschäftigung mit meinen Fragen; aus meiner Sicht ist damit alles geklärt. Allerdings scheint duden.de unsere Auffassung nicht zu teilen, dass "es gilt" auch als halbmodal angesehen werden kann. Bei "gelten" steht als Bedeutung 5a, wie ich erst jetzt bemerke:
auf etwas ankommen
Grammatik
unpersönlich
Beispiele
es gilt, sich zu entscheiden
es gilt einen Versuch (kommt auf einen Versuch an)
dieses Ziel gilt es zu erreichen (dieses Ziel muss erreicht werden)
Das letzte Beispiel ist zwar kommalos, aber offenbar nur wegen der verschränkten Konstruktion.
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