Wie Sie schon – zum Teil - richtig angemerkt haben, handelt es sich bei Ihrem Zweifelsfall um die Frage, ob bei einer Abfolge zweier Adjektive beide für den Dativ Singular im Neutrum die starke Endung
–em oder das zweite Adjektiv die schwache Endung
–en für den Dativ Singular erhält.
Beispiel
(1) Er verstarb nach lang
em schwer
em Leiden. (beide Adjektive erhalten starke Endung
–em)
(2) Er verstarb nach lang
em schwer
en Leiden. (zweites Adjektiv erhält schwache Endung
–en)
Allgemein besagt die
Grundregel, dass
beide Adjektive parallel flektiert (=gebeugt) werden. Somit wären Sie mit Beispiel (1) immer auf der richtigen Seite. Jedoch kann der Schreiber bzw. Sprecher mithilfe der Parallelflexion (= überall die Endung
–em) und Wechselflexion (= erste Adjektiv mit der Endung
–em, das zweite Adjektiv mit der Endung
–en) unterschiedliche Bedeutungsakzente hinsichtlich der Adjektive ausdrücken. Denn
mithilfe der Parallel- und Wechselflexion kann eine Unter- bzw. Nebenordnung der Adjektive signalisiert werden.
Bei einer Nebenordnung der Adjektive bilden die jeweiligen Adjektive unabhängig voneinander jedes für sich ein das Substantiv ergänzendes Beschreibungselement. Bei Nebenordnung tritt laut Duden Band 9 „Richtiges und gutes Deutsch“ in der Regel Parallelflexion ein.
Beispiel
(3) nach lang
em, mit Geduld ertragen
em Leiden
Bildet das zweite Adjektiv mit dem Substantiv eine „gedankliche Einheit“, wird diese durch das erste Adjektiv modifiziert. Somit wird das erste Adjektiv dem zweiten untergeordnet. Bei Unterordnung tritt in der Regel Wechselflexion ein.
Beispiel
(4) nach lang
em, mit Geduld ertragen
en Leiden
In der Tat lässt die Festlegung, ob es sich bei bestimmten Konstruktionen um gedankliche Einheiten handelt oder nicht, im Einzelfall oft großen Interpretationsspielraum. Bei dem Adjektiv
ertragenem und beim Substantiv
Leiden kann man durchaus eine große gedankliche Nähe annehmen, da diese Wörter häufig in Kombination gebraucht werden.
Um zu sehen, ob es sich bei einer Abfolge von Adjektiven um Neben- oder Unterordnung handelt, bieten sich kleine „Tests“ an:
Bei Unterordnung kann in der Regel zwischen den Adjektiven kein
und stehen.
Beispiel
(5) Da es um 22 Uhr noch über 20 Grad warm ist, zählt dieser Freitag nach streng
em bayerisch
en Reinheitsgebot als Biergartentag.
(6) *Da es um 22 Uhr noch über 20 Grad warm ist, zählt dieser Freitag nach streng
em und bayerisch
em Reinheitsgebot als Biergartentag. (nicht möglich, da „streng“ „bayerisch“ untergeordnet ist.)
Weiterhin können die Adjektive bei Unterordnung nicht in beliebiger Reihenfolge angeordnet werden, d.h. sie können nicht vertauscht werden.
Beispiel
(7) * Da es um 22 Uhr noch über 20 Grad warm ist, zählt dieser Freitag nach bayerisch
em und streng
em Reinheitsgebot als Biergartentag.
Wendet man diese „Tests“ auf Ihr Beispiel an, ergeben sich folgende Konstruktionen:
Beispiel
(8) nach langem und mit Geduld ertragen
em Leid
(9) nach mit Geduld ertragen
em und lang
em Leid
Zugebenermaßen wirken diese Konstruktionen etwas unnatürlich. Sie können aber, wenn dies in der Aussageabsicht des Sprechers liegt, in der Art gebraucht werden.
Fazit: Ob Sie nun Parallel- oder Wechselflexion gebrauchen, hängt also von Ihrer Aussageabsicht ab.
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