Da es vor allem
bei Adjektiven im Dativ Singular des Maskulinums und Neutrums zu Schwankungen zwischen der starken Endung –em und der schwachen Endung –en kommen kann, geht es also bei Ihrem Zweifelsfall um die Frage, welche Adjektive bei einer Abfolge mehrere aufeinanderfolgender Adjektive schwach oder stark dekliniert werden.
Muttersprachlern ist oft gar nicht bewusst, dass es im Deutschen
zwei Arten der Adjektivflexion gibt, da sie im alltäglichen Sprachgebrauch meist „automatisch“ die passende Form wählen. Zu Problemen kommt es allerdings häufig, wenn mehrere Adjektive vor einem Substantiv stehen (wie in Ihrem Fall die Adjektive
gebessert, psychisch und körperlich bzw.
höchst, medizinisch und pflegerisch). Die folgende Tabelle zeigt zunächst einmal die starken und schwachen Formen des Adjektivs medizinisch im Singular.
|
starke Adjektivflexion |
schwache Adjektivflexion |
Nominativ |
medizinisches Niveau |
(das) medizinische Niveau |
Genitiv |
medizinischen Niveaus |
(des) medizinischen Niveaus |
Dativ |
medizinischem Niveau |
(dem) medizinischen Niveau |
Akkusativ |
medizinisches Niveau |
(das) medizinische Niveau |
Bei Ihren Beispielen
in gebessertem psychischem und körperlichem Befinden und
auf höchstem medizinischem und pflegerischem Niveau handelt es sich um komplexe Nominalgruppen mit drei attributiven Adjektiven. Eine Grundregel der Grammatik lautet, dass in Nominalgruppen Artikelwörter und Adjektive im Kasus, Numerus und Genus mit dem Substantiv übereinstimmen. Somit sind die Artikelwörter und Adjektive neben dem Substantiv ebenfalls Merkmalträger der Nominalgruppe. Jede Nominalgruppe besitzt einen
Hauptmerkmalträger, an welchem man das grammatische Merkmal eindeutig identifizieren kann. Dies kann entweder ein Adjektiv oder ein Artikelwort sein. Die anderen Komponenten sind dann Nebenmerkmalträger. Eine weitere Grundregel der Grammatik besagt, dass immer die am weitesten links stehende Wortform als Hauptmerkmalträger gewählt wird. Wenden wir diese Grundregel auf Ihre Beispiele an, so entfällt zunächst eine der von Ihnen aufgeführten Varianten (mit einem * markiert).
Beispiel
(1) Wir entließen den Patienten in
gebessertem psychischem und körperlichem Befinden.
(2)
*Wir entließen den Patienten in gebesserten psychischem und körperlichem Befinden.
(3) Wir entließen den Patienten in
gebessertem psychischen und körperlichen Befinden.
(4) Wir entließen den Patienten in
gebessertem psychischen und körperlichem Befinden.
(5) Wir entließen den Patienten
im gebesserten psychischen und körperlichen Befinden.
In den Beispielen (1), (3) und (4) trägt das Adjektiv
gebessert die starke Kasusmarkierung
–em und ist somit Hauptmerkmalträger. Im Beispiel (5) steckt der Hauptmerkmalträger in der Präposition
im, welche eine Verschmelzung aus
in und
einem bzw.
dem darstellt.
Überträgt man diese Grundregel auf Ihren zweiten Beispielsatz, so sind zunächst ebenfalls alle drei von Ihnen vorgeschlagenen Varianten möglich.
Beispiel
(6) Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten auf
höchstem medizinischem und pflegerischem Niveau sicher.
(7) Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten auf
höchstem medizinischen und pflegerischen Niveau sicher.
(8) Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten auf
höchstem medizinischen und pflegerischem Niveau sicher.
Denn in diesen Beispielen übernimmt das Adjektiv
höchst mit der starken Kasusmarkierung
–em die Funktion des Hauptmerkmalträgers. Unser Zwischenfazit für das erste Adjektiv in der Abfolge lautet also, dass die Adjektive
gebessert und
höchst immer die starke Endung
–em tragen, außer wenn ihnen ein Artikelwort wie zum Beispiel
einem vorangeht.
Beispiel
(9)
in gebessertem Befinden oder
in einem gebesserten Befinden
(10)
auf höchstem Niveau oder
auf einem höchsten Niveau
Bleibt noch die Frage, ob die beiden anderen Adjektive in der Abfolge stark oder schwach flektiert werden. Auch für diesen Fall gibt es laut Dudengrammatik eine Grundregel für Adjektive:
„Adjektive werden parallel flektiert.“ (Vgl. Duden 4 S. 948) D.h. die Adjektive sind innerhalb einer Wortgruppe alle stark oder schwach. Folgt man dieser Grundregel, so wären nur noch drei von insgesamt acht aufgeführten Varianten möglich.
Beispiel
Beispiel (1): Wir entließen den Patienten in gebessertem psychischem und körperlichem Befinden. (alle stark flektiert)
Beispiel (5): Wir entließen den Patienten im gebesserten psychischen und körperlichen Befinden. (alle schwach flektiert)
Beispiel (6): Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten auf höchstem medizinischem und pflegerischem Niveau sicher. (alle stark flektiert)
Somit befinden Sie sich mit diesen Varianten immer auf der sicheren Seite. Jedoch kann der Schreiber bzw. Sprecher mithilfe der Parallelflexion (= überall die Endung
–em) und Wechselflexion (= erste Adjektiv mit der Endung –em, das zweite und dritte Adjektiv mit der Endung
–en) unterschiedliche Bedeutungsakzente hinsichtlich der Adjektive ausdrücken. Denn
mithilfe der Parallel- und Wechselflexion kann eine Unter- bzw. Nebenordnung der Adjektive signalisiert werden.
Bei einer Nebenordnung der Adjektive bilden die jeweiligen Adjektive unabhängig voneinander jedes für sich ein das Substantiv ergänzendes Beschreibungselement. Hier tritt laut Duden Band 9 „Richtiges und gutes Deutsch“ in der Regel Parallelflexion ein. Da das erste Adjektiv Hauptmerkmalträger ist, benötigt man für die anderen Adjektive auch die starke Kasusamarkierung
–em.
Beispiel
(11) in gebessertem psychischem und körperlichem Befinden
(12) auf höchstem medizinischem und pflegerischem Niveau
Bei zwei aufeinanderfolgenden Adjektiven kann das zweite Adjektiv mit dem Substantiv eine
„gedankliche Einheit“ bilden. Diese Einheit kann als Ganzes von dem ersten Adjektiv modifiziert werden. Somit wird das erste Adjektiv der gesamten Einheit untergeordnet. Bei Unterordnung tritt in der Regel Wechselflexion ein.
Beispiel
(13) mit hellem elektrischen Licht
Da es sich aber bei Ihren Beispielen um eine Abfolge aus drei Adjektiven handelt, muss man, bevor man eine Unterordnung annehmen kann, klären, welche Adjektive eine gedankliche Einheit mit dem Substantiv bilden können. Da die beiden letzten Adjektive durch die Konjunktion
und verbunden sind, kann man zwischen diesen eine größere Nähe annehmen als zum ersten Adjektiv. Aus diesem Grund müssen die letzten beiden Adjektive parallel flektiert werden.
Beispiel
(14) in gebessertem
psychischen und körperlichen Befinden
(15) in gebessertem
psychischem und körperlichem Befinden
(16) auf höchstem
medizinischen und pflegerischen Niveau
(17) auf höchstem
medizinischem und pflegerischem Niveau
Somit bilden zunächst das zweite und dritte Adjektiv eine gewisse Einheit, welche wiederum mit dem Substantiv eine weitere gedankliche Einheit bilden kann. Diese gedankliche Einheit bezeichnet im weiteren Sinn eine gewisse Zusammengehörigkeit
So könnte man in Ihren Beispielen eine gedankliche Nähe zwischen den Adjektiven „psychisch“ und „körperlich“ und „Befinden“ bzw. „medizinisch“ und „pflegerisch“ und „Niveau“ annehmen.
Beispiel
(18) in gebessertem
psychischen und körperlichen Befinden
(19) auf höchstem
medizinischen und pflegerischen Niveau
In der Tat lässt aber die Festlegung, ob es sich bei bestimmten Konstruktionen um gedankliche Einheiten handelt oder nicht, im Einzelfall oft großen Interpretationsspielraum.
Um zu sehen, ob es sich bei einer Abfolge von Adjektiven um Neben- oder Unterordnung handelt, bieten sich kleine „Tests“ an: Bei Unterordnung kann in der Regel zwischen den Adjektiven kein
und stehen.
Beispiel
(20) Da es um 22 Uhr noch über 20 Grad warm ist, zählt dieser Freitag nach
strengem bayerischen Reinheitsgebot als Biergartentag.
(21) *Da es um 22 Uhr noch über 20 Grad warm ist, zählt dieser Freitag nach
strengem und bayerischem Reinheitsgebot als Biergartentag. (nicht möglich, da „streng“ „bayerisch“ untergeordnet ist.)
Weiterhin können die Adjektive bei Unterordnung nicht in beliebiger Reihenfolge angeordnet werden, d.h. sie können nicht vertauscht werden.
Beispiel
(22) * Da es um 22 Uhr noch über 20 Grad warm ist, zählt dieser Freitag nach
bayerischem und strengem Reinheitsgebot als Biergartentag.
Wendet man diese „Tests“ auf Ihre Beispiele an, ergeben sich folgende Konstruktionen:
Beispiel
(23) in gebessertem und psychischem und körperlichem Befinden
(24) in psychischem und körperlichem gebessertem Befinden
(25) auf höchstem und medizinischem und pflegerischem Niveau
(26) auf medizinischem und pflegerischem höchstem Niveau
Zugebenermaßen wirken diese Konstruktionen etwas unnatürlich. Sie können aber, wenn dies in der Aussageabsicht des Sprechers liegt, in der Art tatsächlich gebraucht werden.
Fazit: Anhand der ausführlichen Erklärung sehen Sie, dass die Flexionsart der Adjektive von komplexen Faktoren abhängt. Zum Einen muss der Schreiber Rücksicht auf die Grundregel des Hauptmerkmalträgers nehmen, zum Anderen muss er eine Entscheidung über die Aussageabsicht, d.h. ob er bei einer Abfolge von Adjektiven Unter- oder Nebenordnung ausdrücken möchte, treffen. Davon ist letztendlich dann auch die Parallel- oder Wechselflexion abhängig.
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