Da es sich bei einer Frage zur Satzgliedbestimmung um keinen den Sprachgebrauch betreffenden grammatischen Zweifelsfall handelt, wird hier auf unser auf Zweifelsfälle ausgerichtetes Antwortschema mit den Icons verzichtet. Wir möchten Sie dennoch bitten, unseren kurzen Fragebogen zur Bewertung unserer Antwort auszufüllen.
Ihre Beispiele zur Satzgliedbestimmung werfen in der Tat eine Reihe von kontrovers diskutierbaren Fragen auf. Insofern ist es durchaus richtig, dass teilweise unterschiedliche Perspektiven auf die Satzgliedbestimmung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Wenn auch die befragten Lehrer davon ausgehen, dass es mehrere Lösungen geben kann, gerät allerdings die Bewertung einiger Varianten als 'Fehler' ins Wanken.
Wir werden im Folgenden auf Ihre Fragen und Beispiele nach Themen geordnet eingehen.
1. Prädikatsbegriff: Bei den meisten Ihrer Beispiele geht es um die Frage, wie das Prädikat zu bestimmen ist: Kommen lediglich Verben als Prädikate in Frage oder kann ein Prädikat auch nicht verbale Bestandteile haben?
Offenbar vertritt die Lehrerin einen engen Prädikatsbegriff, d.h., sie lässt nur die Verben als Prädikate gelten. Die Konsequenz ist, dass die weiteren Bestandteile der Sätze dann als Satzglieder bestimmt werden müssen. Für die Beispiele mit sein (1,2,9) kommt als Satzgliedfunktion das so genannte 'Prädikativ' in Frage. Weil sich die Adjektive alt, trocken und einfach auf das Subjekt beziehen, werden sie als Subjektsprädikative bezeichnet. Die Einordnung als Prädikativ und somit als eigenständiges Satzglied wird u.a. durch die Verschiebbarkeit begründet (so in der Grammatik von Helbig/Buscha). Dennoch legt auch bereits die Bezeichnung 'Prädikativ' eine gewisse Nähe zum Prädikat nahe.
Sie vertreten dagegen eine weite Auffassung von 'Prädikat', die sie mit der funktionalen Zusammengehörigkeit begründen. Tatsächlich ist das in den genannten Fällen durchaus legitim, da die so genannten Kopulaverben sein, bleiben und werden wie in den Beispielen (1,2,9) nicht alleine eine Satzaussage bilden, sondern nur in Verbindung mit einem Adjektiv oder Substantiv (bzw. einer Nominalgruppe):
Beispiel
(1) Sie ist Lehrerin / sie ist eine tolerante Lehrerin.
Lexikalische Bestandteile von Prädikaten lassen die meisten Grammatiken dann zu, wenn es sich um stark konventionalisierte, oft phraseologische Bedeutungen handelt:
Beispiel
(2) Wir müssen diesem Umstand Rechnung tragen (Dudengrammatik)
(3) Das Theater bringt das Stück zur Auffürhung (Helbig/Buscha)
Hier wird dann damit argumentiert, dass sich die Nominalgruppen in diesen Fällen nicht wie autonome Nominalgruppen verhalten, d.h., sie können bspw. nicht beliebig erweitert oder verschoben werden:
Beispiel
(2') *Wir müssen diesem Umstand eine/die/eine große Rechnung tragen.
(3') *Das Theater bringt das Stück zur schlechten Aufführung.
Oft ist die Entscheidung, ob es sich tatsächlich bereits um eine konventionalisierte Verbindung oder doch um autonome Bestandteile eines Satzes handelt, schwierig. Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass in Bezug auf die Beispiele mit haben und machen (6,7,8) Ihre Meinung und die der Lehrerin divergieren. Wenn man das bereits genannte Kriterium der Erweiterbarkeit bemüht, könnte man bei Urlaub machen von einer konventionalisierten Verbindung ausgehen, weil es wohl nicht möglich ist zu sagen:
Beispiel
(4) * Greta macht mit ihrer Familie einen teuren Urlaub.
Bei Mühe machen dagegen sind Erweiterungen denkbar, wie ja auch Ihr Beispiel zeigt:
Beispiel
(5) Die Hausaufgaben machen den Kindern viel/wenig Mühe
(6) Die Hausaufgaben machen den Kindern große/erhebliche/Mühe
Das Gleiche gilt für Fragen haben:
Beispiel
(7) Ich habe noch weitere/viele/interessante Fragen.
Dennoch ist auch bei diesen Beispielen Ihr Zweifel verständlich, da Mühe und machen und Fragen und haben in der Tat sehr häufig gemeinsam auftreten.
Reflexive Verben wie in Beispiel (3) werden in der Regel als Prädikate analysiert.
2. Subjektanalyse: Die zwei weiteren Beispiele beziehen sich auf die Subjektanalyse, allerdings handelt es sich hier um sehr unterschiedliche Fragen.
2.1 Subjekte in Nebensätze / Nebensätze als Subjekte
Prinzipiell gilt: Die meisten Nebensätze haben Satzgliedfunktion. Da alle Satzgliedfunktionen prinzipiell auch durch Nebensätze realisiert werden können, gibt es auch Subjektsätze. Ein Beispiel wäre:
Beispiel
(8) Dass Peter die Hausaufgaben schon wieder nicht gemacht hat, nervt seine Lehrerin.
Die Subjektfunktion kann hier durch die Ersatzprobe ermittelt werden:
Beispiel
(8'): Das nervt seine Lehrerin.
Bei Satzgefügen bietet es sich deshalb an, zunächst immer erst einmal die Beziehung der Teilsätze zueinander zu analysieren, also die Satzgliedfunktion des Nebensatzes in Bezug auf den übergeordneten Satz zu bestimmen. Dennoch kann man in einem zweiten Schritt auch die Binnenstruktur des Nebensatzes analysieren, sodass es durchaus legitim ist, auch innerhalb des Subjektsatzes das Subjekt zu bestimmen. Im vorliegenden Beispiel ist das Peter.
Wenn wir dieses Verfahren auf Ihr Beispiel anwenden, kommen wir zu folgendem Ergebnis:
Beispiel
(9) Und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er da noch immer.
Der Nebensatz hat hier die Funktion eines konditionalen Adverbials (also ein Adverbialsatz, der eine Bedingung ausdrückt), also keine Subjektfunktion. Subjekt im Nebensatz ist er, sodass die Analyse 'er als Subjekt im Nebensatz sowie als Subjekt im Hauptsatz' richtig ist.
2.2 Es als Vorfeldplatzhalter
Die Problematik ergibt sich in Ihrem Beispiel
Beispiel
(10) Es war einmal ein Prinz.
daraus, dass das Subjekt ein Prinz nicht vor dem finiten Verb steht (im so genannten 'Vorfeld'). Da diese Position im Aussagesatz aber besetzt sein muss, wird hier es als so gennanter 'Platzhalter' verwendet. Wenn das eigentliche Subjekt in die Vorfeldposition gesetzt wird, verschwindet der Platzhalter:
Beispiel
(10') Ein Prinz war einmal.
(11) Es kam ein Koch in die Küche.
(11') Ein Koch kam in die Küche.
Das Vorfeldpaltzer-es hat also keine eigenständige Satzgliedfunktion, weil es eben nur dafür sorgt, dass diese obligatorische Position besetzt wird. Da es hier den Platz sozusagen für das Subjekt freihält, hat es aber durchaus etwas mit dem Subjekt zu tun. Wenn Ihre Tochter hier zwei Subjekte markiert hat, heißt das, dass sie diesen Zusammenhang erkannt hat. Das sollte in der Tat eher anerkannt als als Fehler sanktioniert werden.
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