Ihre Frage bezieht sich auf die
Doppelperfektbildung und damit auf die Tempusformen
Doppelperfekt (auch: doppeltes Präsensperfekt; Perfekt II) und
Doppelplusquamperfekt (auch: doppeltes Präteritumperfekt; Plusquamperfekt II). Diese Formen werden aus einer Form von
haben oder
sein im Präsens bzw. Präteritum, dem Vollverb als Partizip II und
gehabt bzw.
gewesen, also einem weiteren Partizip II, gebildet. Folglich liegt ein dreiteiliger Verbalkomplex vor. Die nachstehende Tabelle entspricht der Übersicht der Dudengrammatik und veranschaulicht mögliche Bildungsformen (vgl. 464, Randnummer 658).
doppelte Perfektbildung 3. Pers. Sg. (man) |
Perfektbildung mit haben |
Perfektbildung mit sein |
Präsensperfekt Indikativ / Konj. I |
hat / habe gefragt gehabt |
ist / sei geflohen gewesen |
Präteritumperfekt Indikativ / Konj. II |
hat / hätte gefragt gehabt |
war / wäre geflohen gewesen |
Infinitv Perfekt |
gefragt gehabt haben |
geflohen gewesen sein |
Obwohl diese Formen im Sprachgebrauch keine Seltenheit darstellen, tauchen sie abgesehen von der Dudengrammatik noch nicht in vielen Grammatiken auf (vgl. Grammatische Terminologie: 20 f.;
http://www.grammatischeterminologie...._Wort_2013.pdf). Falsch sind diese Tempora dadurch aber nicht, zumal sie einige Funktionen erfüllen. So finden sie vor allem im
Konjunktiv Verwendung, da sich die
Vorzeitigkeit in diesem Modus schlechter ausdrücken lässt.
Beispiel
(1) Sie sagte, es wäre nicht gut ausgegangen, wenn sie nicht
reagiert gehabt hätte.
(2) Bevor man ihn erkannt hätte,
wäre er längst durch die Hintertür
entkommen gewesen.
Besonders in der
gesprochenen Sprache, in der finite Präteritumformen je nach Region fast komplett vermieden werden, füllt das
Doppelperfekt sogar eine funktionale Lücke, da die
Vorvergangenheit sonst nicht ausgedrückt werden könnte (vgl. Duden 4: 514, Randnummer 745).
Beispiel
(3) Bevor ich in den Garten gegangen bin,
habe ich noch Maritta
angerufen gehabt.
(4) Wir
haben gerade den Aufzug
verlassen gehabt, als der Strom ausgefallen ist.
Dem
Doppelplusquamperfekt kommt noch eine Funktion zu, die wohl eher selten sein dürfte, aber sogar mit einem Goethezitat belegt werden kann. Es handelt sich hierbei um eine feinere temporale Differenzierung durch die Verwendung des Doppelplusquamperfekts als
Vor-Vorvergangenheit.
Beispiel
(5) „In dem Augenblick fühlte er sich am linken Arm ergriffen und zugleich einen sehr heftigen Schmerz. Mignon
hatte sich
versteckt gehabt, hatte ihn angefasst und ihn in den Arm gebissen.“ (J. W. Goethe)
Fazit: Wie gerade das letzte Beispiel zeigt, sind die doppelten Perfektformen alles andere als eine neue Erfindung. Sie überwiegen zwar in der gesprochenen Sprache, aber erfüllen durchaus Funktionen, indem sie zum Teil sogar Lücken im Tempussystem schließen.
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