Da es sich bei einer Frage zur Verwendung einzelner Lexeme um keinen den Sprachgebrauch betreffenden grammatischen Zweifelsfall handelt, wird hier auf unser auf Zweifelsfälle ausgerichtetes Antwortschema mit den Icons verzichtet. Wir möchten Sie dennoch bitten, unseren kurzen Fragebogen zur Bewertung unserer Antwort auszufüllen.
In Ihrer Frage geht es um den Unterschied der Temporaladverbien nun und jetzt. Schlägt man beide Wörter im Duden Universalwörterbuch nach, so zeigt sich, dass beide Adverbien weitestgehend synonym verwendet werden. Beide können auf die folgenden Arten genutzt werden:
1) Bezeichnung der Gegenwart bzw. beim Erzählen eines vom Sprecher, von der Sprecherin als gegenwärtig gesetzten Zeitpunkt, zu dem etw. eintritt, einsetzt. Bspw. in:
Beispiel
Ich muss jetzt / nun gehen.
2. Synonyme Verwendung zu den Adverbien mittlerweile, inzwischen. Ein Beispiel dafür ist:
Beispiel
die Lage hat sich nun / jetzt stabilisiert
3. Gebrauch als Temporaladverbien; Bezeichnung einer in der Gegenwart liegende Zeit, sofern sie sich von einer vorhergehenden, früheren in bestimmter Hinsicht unterscheidet, wie in:
Beispiel
Es gibt jetzt / nun viel mehr Möglichkeiten als noch vor ein paar Jahren.
4. Bezugnahme auf etwas vorher Gesagtes o. Ä. und Bezeichnung eines „nur ganz allgemein den in der Gegenwart liegenden Zeitpunkt[s]“:
Beispiel
Jetzt / Nun ist aber Schluss mit dem Geschwätz!
Auch im Grimmschen Wörterbuch wird bereits angeführt, dass die zwei Temporaladverbien weitestgehend synonym zu verstehen sind. Es finden sich dort zwei Verwendungsweisen für jetzt, bei denen nun nicht als Synonym angegeben wird:
1) Das Temporaladverb jetzt kann mit verschiedenen Präpositionen gebraucht werden, die sich nicht gleichermaßen mit nun kombinieren lassen:
Beispiel
und was ich auf itzt vergessen musz, habe ich denn das auf ewig vergessen? (LESSING 10, 329)
dasz von Spanien vorjetzt noch nichts zu hoffen sei. (SCHILLER 682)
2) Bezeichnung eines bis unmittelbar an die Gegenwart reichenden Abschnitt der Vergangenheit, wobei jetzt in diesem Fall auch mit weitern verstärkenden Wörtern verwendet werden kann:
Beispiel
du siehst es ja, dasz ich den brief nur jetzt gleich bekommen habe. (Lessing 1, 275)
grad ietz, herr graf, kompt er gegangen (von einem so eben eingetroffenen). spiel von S. Meinrad 14.
Eine weitere kleine Differenzierung findet sich im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache angeschlossen. Dort wird bei dem Lemma zum Adverb jetzt besonders hervorgehoben, dass jetzt zur Bezeichnung des konkreten Augenblicks verwendet wird.
Allerdings gilt die Einschätzung, dass nun und jetzt synonym sind nur für den Fall, dass sie als Temporaladverbial gebraucht werden und nicht in einer festen Redewendung vorliegen. Ein Beispiel für eine solche Redewendung, in der nur eine Variante möglich ist, wäre.
Beispiel
Wenn nicht jetzt, wann dann.
*Wenn nicht nun, wann dann.
Wird nun als Partikel verwendet, dann kann diese nicht durch jetzt ersetzt werden:
Beispiel
Solche Zweifel waren nun doch wirklich unberechtigt.
*Solche Zweifel waren jetzt doch wirklich unberechtigt.
Nun denn, viel Spaß!
*Jetzt denn, viel Spaß!
Dasselbe gilt für die Verwendung von nun als Junktor:
Beispiel
Nun sie es erfuhr, war es zu spät.
*Jetzt sie es erfuhr, war es zu spät.
Nun sie so lange krank war, muss sie sich noch schonen.
* Jetzt sie so lange krank war, muss sie sich noch schonen.
Wird jetzt als Partikel verwendet, dann ist eine Ersetzung durch nun nicht möglich.
Beispiel
Wer kommt denn jetzt noch?
*Wer kommt denn nun noch?
Betrachtet man entsprechend Ihre beiden Beispiele, dann können in diesen sowohl das Adverb jetzt als auch das Adverb nun verwendet werden:
Beispiel
1a) Der Präsident der Republik wurde nun von den Wahlberechtigten gewählt.
1b) Der Präsident der Republik wurde jetzt von den Wahlberechtigten gewählt.
2a) Nur 60% der Franzosen folgten ihm noch, nun, wo das Ende des Algerienkriegs die Gefahr eines Bürgerkrieges gebannt hatte.
2b) Nur 60% der Franzosen folgten ihm noch, jetzt, wo das Ende des Algerienkriegs die Gefahr eines Bürgerkrieges gebannt hatte.
Da es für die Unterscheidung von Bedeutungsnuancen keine grammatischen Indizien gibt, können wir hier dafür keine Erklärung bieten.
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