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Thema: ablesen und Genitiv oder Dativ ?

  1. #1
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    Standard ablesen und Genitiv oder Dativ ?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Roman: "Im Krebsgang" (Günther Grass)

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Beim Befragen

    Guten Tag,

    Ich habe zwei Sätze gelesen, die mir ähnlich aber vielleicht unterschiedlich sind. Ich zitiere sie dann stelle einige Fragen.

    Die Zitaten:

    1) Solche und ähnliche Beschuldigungen las ich, mittlerweile gierig geworden, der immer gleich firmierenden Homepage ab: »Ein Jude hat geschossen …«

    2) Später, als wir im Westen den Terrorismus hatten, las ich ihrer Schweriner Flaschenpost ab, daß »Baadermeinhoff«, die sie als eine Person sah, im Kampf gegen den Faschismus gefallen sei.

    Fragen:

    1) Ist „der … Homepage“ ein Rechts- und Genitivattribut von dem Substantiv „Beschuldigen“ oder eine Ergänzung des Verbs ? In dem Fall der Ergänzung kommt „der … Homepage“ in Dativ oder in Genitiv vor ?

    2) Kommt „ ihrer … Flaschenpost“ in Dativ oder in Genitiv vor?

    Bemerkung
    :
    Ich habe in Wörterbücher gelesen: etwas von etwas (D) ablesen, etwas an (D) etwas ablesen. In dem Beispiel 2 fällt meiner Meinung nach die Präposition weg und dadurch lässt zur Auswahl des Kasus zwei Möglichkeiten (Dativ, Genitiv) auftreten.

    Vielen Danke für Ihre Hilfe
    Denebe.

    Ergänzung:
    Bezüglich des zweiten Satzes ist es ein Dativ, weil ich einen anderen Satz gelesen habe, und zwar:

    "Ich lese den mir zugänglichen Infos ab, daß M96 mit zweihundertfänfzig Tonnen Wasserverdrängung und fünfundvierzig Meter Länge ein eher kleines Boot mit achtzehn Mann Besatzung an Bord war."
    Geändert von denebe (25.02.2016 um 16:20 Uhr)

  2. #2
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    Standard Valenz ablesen

    Sprachsystem


    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    In Ihrer Frage geht es um die Valenz des Verbs ablesen. Unter Valenz wird die Fähigkeit von Verben verstanden, festzulegen, welche Wortgruppen in einem Satz vorkommen müssen, damit dieser grammatisch wohlgeformt ist. Darüber hinaus legt das Verb nicht nur fest, welche Mitspieler es im Satz benötigt, sondern auch wie diese grammatisch realisiert werden müssen. Dabei kann es zur Rektionsvarianz kommen. Das bedeutet, dass Verben nicht immer nur genau eine bestimmte Realisierung einer Wortgruppe regieren, sondern es dabei zu Abweichungen kommen kann. Es gibt also zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Realisierungsvarianten für eine Rektionsposition, die standardsprachlich möglich sind. Ein Beispiel dafür geben die folgenden zwei Beispielsätze:

    Beispiel

    1) Er klagte ihn des Verbrechens an.
    2) Er klagte ihn für das Verbrechen gegen die Menschlichkeit an.


    Das Verb anklagen verlangt eine Wortgruppe mit der angegeben wird, weswegen eine Person angeklagt wird. Dies kann einerseits wie in Beispiel 1 durch eine Nominalgruppe im Genitiv (des Verbrechens) realisiert werden oder wie in Beispiel 2 durch eine Präpositionalgruppe (für das Verbrechen gegen die Menschlichkeit), bei der die Präposition den Kasus der dazugehörigen Nominalgruppe festlegt. Es gibt also mehrere Möglichkeiten den Anklagegrund anzugeben und damit unterschiedliche Arten, wie die Rektionsposition besetzt werden kann.

    Bezüglich Ihres Beispiels haben Sie nun bereits richtig festgestellt, dass bei dem Verb ablesen angegeben werden muss, wovon etwas abgelesen wird. Auch hier stellt sich die Frage, wie sich dies grammatisch realisieren lässt. Schlägt man das Verb ablesen im Dudenuniversalwörterbuch nach, finden sich folgende Beispiele, die Ihrem Beispiel am nächsten kommen:

    Beispiel

    jemandem jeden Wunsch von den Augen ablesen
    jemandem etwas an der Stirn ablesen


    Anhand dieser Beispiele lässt sich auf zwei mögliche Realisierungsvarianten schließen:

    1) Präpositionalgruppe mit von
    Das Verb ablesen kann mit einer Präpositionalgruppe bestehend aus von + Nominalgruppe kombiniert werden, um so anzugeben, wovon etwas abgelesen wird. Bei von handelt es sich um eine Präposition, die sich dadurch auszeichnet, dass sie den Dativ fordert. Das bedeutet, dass die auf sie folgende Nominalgruppe im Dativ stehen muss. Beispiele für diese Verwendung wäre:

    Beispiel

    Sie konnte ihm seine Worte von den Lippen (= Dativ) ablesen.
    Sie las ihm jeden Wunsch von den Augen (=Dativ) ab.


    2) Präpositionalgruppe mit an
    Das Verb ablesen kann darüber hinaus auch mit einer Präpositionalgruppe kombiniert werden, die mit an eingeleitet wird. Auch die Präposition an kann den Dativ regieren, wie im folgenden Beispiel:

    Beispiel

    Sie las den Stromverbrauch an dem Strommessgerät (= Dativ) ab.


    Nun weisen Sie zu Recht auf das Problem hin, dass in Ihren Beispielsätzen keine solche Präposition vorliegt, anhand derer man auf den Kasus der entsprechenden Wortgruppe Rückschlüsse ziehen kann. Dies liegt daran, dass die Wortformen synkretistisch sind, d.h. dass sie trotz unterschiedlicher Kategorien von der Form ähnlich aussehen.

    Im Dudenuniversalwörterbuch wird kein solches Beispiel aufgegriffen, in dem angegeben wird, wovon etwas abgelesen wird und dies nicht durch eine Präpositionalgruppe realisiert wird. Das heißt, dass sich dort keine konkrete Angabe zum Rektionsverhalten des Verbs finden lässt. Um dennoch darauf schließen zu können, um welchen Kasus es sich in Ihren Beispielsätzen handelt können analoge Beispielsätze gebildet werden, bei denen die Form eindeutig ablesbar ist, um so auf das Rektionsverhalten von ablesen zu schließen. Dazu können die folgenden Beispiele herangezogen werden:

    Beispiel

    Ich las den Zählerstand dem Messgerät ab.
    Die Informationen las ich dem Aushang ab.
    Das Alter las der Kontrolleur dem Pass ab.
    Ihre letzten Worte las er dem Zettel ab.


    Anhand dieser Beispiele lässt sich in Analogie für Ihre Beispiele sagen, dass die Nominalgruppen, nach denen Sie gefragt haben, im Dativ stehen.

    Dass es sich außerdem bei der Wortgruppe der immer gleich firmierenden Homepage nicht um ein Genitivattribut handelt, lässt sich u.a. daran erkennen, dass diese Wortgruppe ein selbstständiges Satzglied ist. Dies lässt sich durch eine Permutationsprobe herausfinden, bei der die Wortgruppe vor das finite Verb geschoben wird. Kann eine Wortgruppe alleine vor dem finiten Verb stehen, dann handelt es sich um ein eigenständiges Satzglied. Die Wortgruppe der immer gleich firmierenden Homepage lässt sich alleine vor das finite Verb verschieben und ist deswegen ein eigenständiges Satzglied:

    Beispiel

    Der immer gleich firmierenden Homepage las ich solche und ähnliche Beschuldigungen, mittlerweile gierig geworden, ab: »Ein Jude hat geschossen …«


    Darüber hinaus lässt sie sich unabhängig von dem vermeintlichen Bezugswort verschieben, was bei Attributen nicht möglich wäre.

     

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