Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
beim Schreiben
Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
Duden Wtb, Internet
Wie lautet die Grammatikregel, best. - unbest. Artikel?
Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
beim Schreiben
Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
Duden Wtb, Internet
Wie lautet die Grammatikregel, best. - unbest. Artikel?
Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.
Sprachsystem
Ihre Frage betrifft die Flexion des Worts Ehemaliger. Dabei handelt es sich um ein substantiviertes Adjektiv, welches sich vom Wort ehemalig ableitet. Im Deutschen gibt es für Adjektive ein starkes und ein schwaches Flexionsmuster. Substantivierte Adjektive weisen analog dazu ebenfalls diese zwei Flexionsmuster auf. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Endung, was die folgende Tabelle zeigt:
starke Flexion schwache Flexion Nominativ Plural Ehemaligen Ehemalige Genitiv Plural Ehemaligen Ehemaliger Dativ Plural Ehemaligen Ehemaligen Akkusativ Plural Ehemaligen Ehemalige
Wann welches Flexionsmuster gewählt wird, hängt vom syntaktischen Umfeld des substantivierten Adjektivs ab. Steht vor dem substantivierten Adjektiv ein Artikelwort mit Endung, dann wird es schwach flektiert. Tritt es hingegen ohne ein solches Artikelwort auf, muss es stark flektiert werden. Im Hintergrund dieser Regel steht die Frage, ob das substantivierte Adjektiv der Hauptmerkmalträger der Nominalgruppe ist. Im Deutschen ist es nämlich so, dass jede Nominalgruppe einen sogenannten Hauptmerkmalträger benötigt, also ein Wort, an dem sich die grammatischen Eigenschaften der Wortgruppe eindeutig ablesen lassen. Diese Funktion wird von einem Artikelwort übernommen, sofern dieses eine Endung trägt. Liegt kein solches Artikelwort vor, können auch Adjektive diese Funktion übernehmen.
Betrachtet man vor diesem Hintergrund Ihr Beispiel, dann steht vor dem Adjektiv lieb kein Artikelwort mit Endung, weswegen es stark flektiert werden muss. Es knüpft nun die Frage an, ob das substantivierte Adjektiv Ehemaliger nun ebenfalls stark flektiert werden muss. Dazu findet sich in der Dudengrammatik die Regel, dass das substantivierte Adjektiv parallelflektiert werden muss. Das heißt, es muss nach demselben Flexionsmuster dekliniert werden wie das Adjektiv lieb. In Ihrem Beispielsatz ist dieses stark flektiert, weswegen es lauten muss:
Beispiel
liebe Ehemalige
Die Flexion von Ehemaliger unterscheidet sich nun in Ihrem weiteren Beispiel dadurch, dass hier das Wort all- vor dem substantivierten Adjektiv steht. Laut Dudengrammatik und dem Duden 9 Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle handelt es sich bei dem Wort all- tendenziell um ein Artikelwort, da nach diesem Wort in der Regel schwach flektiert wird. Entsprechend würde Ihr Beispiel lauten:
Beispiel
alle Ehemaligen
Sprachgebrauch
Ob im Sprachgebrauch diese Einschätzungen geteilt werden, soll eine kleine Korpusanalyse mit Cosmas II, der digitalen Belegsammlung des Instituts für Deutsche Sprache (IDS), und Google zeigen. Die Ergebnisse finden sich in der nachfolgenden Tabelle:
COSMAS II liebe Ehemalige ca. 22 Treffer ca. 57.700 Treffer liebe Ehemaligen ca. 6 Treffer ca. 5.120 Treffer alle Ehemalige ca. 11 Treffer ca. 10.300 Treffer alle Ehemaligen ca. 544 Treffer ca. 162.000 Treffer
Die Trefferzahlen unterstützen die Einschätzungen der Dudengrammatik und des Duden 9. Deutlich überwiegt die Wahl der schwachen Flexion nach all-. Die Treffer für die schwache Flexion nach liebe lassen sich vor allem darüber erklären, dass in diesen Fällen das Wort ehemalig als Adjektiv verwendet wird und dieses in dem konkreten Fall nicht parallelflektiert werden muss. Dies veranschaulicht das folgende Beispiel:
Beispiel
Dieser realistische Entwicklungspfad, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, liebe ehemaligen Koalitionäre, unterscheidet sich in nichts von dem, was wir damals - das haben Sie offensichtlich vergessen - zusammen ausgemacht haben. (PBT/W17.00058 Protokoll der Sitzung des Parlaments Deutscher Bundestag am 15.09.2010. 58. Sitzung der 17. Wahlperiode 2009-. Plenarprotokoll, Berlin, 2010)
Hinweis zu Googledaten: Die Sprachgebrauchsdaten werden mit dem wissenschaftlich fundierten Recherchesystem des Instituts für deutsche Sprache Mannheim COSMAS II erhoben und durch Googlebefunde ergänzt. Die ergänzende Googlesuche ist notwendig, da in der Textsammlung des IdS (DeReKo = Deutsches Referenzkorpus), obwohl diese inzwischen 24 Milliarden Wortformen umfasst, die gefragten Varianten häufig nur relativ selten vorkommen. Bei Google finden sich häufig deutlich mehr Treffer, die Zahlen sind aber aus den folgenden beiden Gründen mit Vorsicht zu genießen:
1. Google unterscheidet nicht zwischen "echten" Sprachgebrauchstreffern und metasprachlichen Diskussionen. Die Frage zu downgeloadet/gedownloadet in unserem Forum bspw. ist auch ein Treffer bei Google. Insgesamt betrachtet machen die metasprachlichen Diskussionen aber in aller Regel den deutlich geringeren Anteil an den Gesamttreffern aus.
2. Google bemüht sich um personalisierte und schnelle Suchergebnisse, die Treffergenauigkeit steht hier also nicht im Vordergrund. Dennoch - und deshalb wird hier trotz der genannten Einschränkungen auf Google zurückgegriffen - lassen sich doch Eindrücke über allgemeine Gebrauchstendenzen gewinnen.
Fazit: Es kann also festgehalten werden, dass die Flexion des Substantivs Ehemaliger davon abhängt, mit welchen Wörtern es im Satz auftritt. Steht vor ihm bloß ein Adjektiv, werden beide Wörter stark flektiert. Steht vor ihm das Wort all-, dann folgt in der Regel die schwache Flexion.
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