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Thema: Braucht ein Possessivpronomen sein jeweiliges Bezugswort innerhalb desselben Satzes, in dem es Verwendung findet?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Braucht ein Possessivpronomen sein jeweiliges Bezugswort innerhalb desselben Satzes, in dem es Verwendung findet?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Im Austausch mit anderer Person über unten angegebene Sätze

    Die Frage bezieht sich auf die folgenden zwei Sätze:

    "Eine Tür fiel laut zu. Ich werkelte, um die Zeit mit etwas Sinnvollem zu verbringen, doch ihr Zuknallen ließ mich nicht mehr los."

    Das Bezugswort von "ihr" ("ihr Zuknallen") ist "Tür" aus dem vorangegangenen Satz. Sind die beiden Sätze grammatikalisch richtig oder würde hier eine Grammatikregel verletzt, indem man das Pronomen "ihr" auf "Zeit" beziehen müsste, da "Tür" dort nicht nochmals Erwähnung findet?

    Vielen Dank für Ihre Mühe!

  2. #2

    Standard Verwendung von Pronomen als Rückverweis

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    Ihre Frage betrifft die Verwendung von Pronomen als Rückverweis. Pronomen haben, wie Sie bereits korrekt festgestellt haben, die Funktion, innerhalb von Sätzen und mehreren Sätzen auf ein vorangegangenes Wort zurückzuverweisen:
    Der Hund hat sich neben mich gelegt. Er mag mich.
    Dabei stimmt das Pronomen mindestens in Genus und Numerus mit dem Bezugswort überein (Kongruenz):
    Der Hund (Maskulinum, Singular)
    Er (Maskulinum, Singular)
    Dies trifft auch bei Ihrem Beispiel zu: Eine Tür (Femininum, Singular) und ihr (Femininum Singular) stimmen in Genus und Numerus überein, bei ihr handelt es sich auch um ein Pronomen, das hier als Possessivartikel fungiert.



    Der Grund für Ihren Zweifelsfall haben Sie ebenfalls bereits korrekt festgestellt: In der Grammatik gilt das Prinzip der Nähe (Adjazenz). Das heißt, wir stellen beim Hören oder Lesen Bezüge nach dem Kriterium der Nähe her:
    Der Mann erkennt den Hund aus der Ferne. Er ist groß.
    Bei diesem Beispiel würden wir nach dem Prinzip der Nähe davon ausgehen, dass sich das Pronomen er auf den Hund und nicht auf der Mann bezieht. Dieses Prinzip lässt sich auch auf Ihr Beispiel übertragen: Je höher die Distanz zwischen Bezugswort und Pronomen, desto schwerer fällt womöglich das Herstellen des Bezugs.



    Prinzipiell ist es sinnvoll, Missverständnisse durch unklare Bezüge zu vermeiden. Für Ihr Beispiel gilt jedoch ebenfalls: Zwar besteht grammatisch die Möglichkeit, das Pronomen ihr auf die Zeit (Femininum Singular) zu beziehen, jedoch ergibt dies aufgrund des Bedeutungszusammenhangs keinen Sinn (Die Zeit knallt nicht zu, sondern eine Tür kann zuknallen).



    Aus dem Grund ist der Bezug letztendlich eindeutig. Eine Alternative besteht darin, die Tür zu wiederholen, z.B. als Genitivattribut:
    Eine Tür fiel laut zu. Ich werkelte, um die Zeit mit etwas Sinnvollem zu verbringen, doch das Zuknallen der Tür ließ mich nicht mehr los.
     


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  3. #3
    Unregistriert Gast

    Standard Kurze Nachfrage

    Guten Abend,

    wenn Sie erlauben, würde ich gern noch folgende Nachfrage an Sie richten:

    In ihrem Beispiel ("Der Mann erkennt den Hund aus der Ferne. Er ist groß.") lässt sich das Personalpronomen sowohl auf "Mann", als auch "Hund" beziehen, wobei das Adjektiv "groß" hier, anders als in meinem Ausgangsbeispiel ("ihr Zuknallen" = Tür), nicht eher das eine oder andere Wort betrifft, da vom reinen Bedeutungszusammenhang beide Bezüge sinnvoll wären.

    Angenommen, der Autor Ihrer beiden Sätze würde "Er" tatsächlich auf den Mann beziehen wollen, die Sätze aber unverändert stehen lassen, würde sein Verstoß gegen das Prinzip der Nähe bedeuten, er hätte einen grammatikalischen Fehler zu verantworten? Oder ist ebendieses Näheprinzip schlicht Hilfswerkzeug des Rezipienten selbst und hat entsprechend eher Empfehlungs- als Gebotscharakter?

    Nach Ihrer Erklärung würde ich annehmen, dass, solange ein Bezug herstellbar ist, kein Grammatikfehler vorliegt, zumal das Fehlen von Eindeutigkeit teils als kennzeichnendes textliches Merkmal betont wird.

  4. #4

    Standard Grauzonen der Grammatik

    Lieber Nutzer,

    das haben Sie genau richtig eingeschätzt. "Die Grammatik" ist kein Sprachministerium, das immer genau zwischen richtig und falsch unterscheidet. Ein eindeutiger Grammatikfehler liegt nur dann vor, wenn klar gegen das grammatische System verstoßen wird, bspw. wenn ich das Verb lesen mit einem Dativ- statt einem Akkusativobjekt verwende. In unserem Forum geht es meist um grammatische Zweifelsfälle, also Grauzonen der Grammatik - genau das ist ja der Grund dafür, dass Sie und andere hier Fragen stellen - eben weil Sie unsicher sind. Das liegt häufig daran, dass das System eben nicht immer so eindeutig ist. Das grammatische System des Deutschen hat ja keiner am Reißbrett entworfen, vielmehr hat es sich historisch entwickelt. Darüber hinaus setzt es sich aus Teilsystemen zusammen, die auch in Konflikt miteinander geraten können.
    Im konkreten Fall regelt die Grammatik die pronominalen Bezüge vor allem über das Prinzip der Kongruenz, d.h., die grammatischen Kategorien von Pronomen und Bezugsnomen müssen übereinstimmen. Gegen dieses Prinzip liegt im Beispiel ja keine Verletzung vor. Wie Sie auch schon richtig eingeschätzt haben, geht es bei der Herstellung von Bezügen ja immer auch um den Rezipienten, er ist im Grunde genommen derjenige, der diese beim Hören oder Lesen herstellen muss. Dabei hilft das Prinzip der Nähe. Im Grunde genommen gilt: Das Prinzip der Nähe kann angewendet werden, solange keine anderen Bedingungen dagegensprechen. Im Satz

    Beispiel

    Der Mann erkennt den Hund aus der Ferne. Er ist groß.

    gibt es keine erkennbaren Gründe, die dagegen sprechen, er auf Hund zu beziehen. Anders wär es in:

    Beispiel

    Der Mann erkennt den Hund aus der Ferne. Er raucht eine Zigarre.

    Hier sagt uns unser Weltwissen, dass wir den Satz mit dem Pronomen er nicht auf den Hund beziehen können, sondern nur auf den Mann, dass also das Prinzip der Nähe nicht zur Zuordnung des Pronomens angewendet werden kann. Ein Grammatiikfehler ist das nicht.

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