Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.
Ihre Frage bezieht sich auf die Kasus der beiden Wortgruppen die nachstehend durch Fettdruck hervorgehoben sind.
Beispiel
(1) Ich fahre
jeden Tag nach Hause.
(2) Ich fahre
am Wochenende nach Hause.
Es irritiert Sie, dass die Wortgruppen
jeden Tag und
am Wochenende nicht im selben Kasus stehen, obwohl sie aus Ihrer Sicht die gleiche Funktion haben. Der Eindruck, dass die genannten Wortgruppen in ihrer syntaktischen Umgebung die gleiche Funktion erfüllen, täuscht nicht. Tatsächlich haben beide die syntaktische Funktion, also den Satzgliedstatus, eines Adverbials. Dass es sich um Satzglieder handelt, erkennt man daran, dass die Wortgruppen vorfeldfähig sind, d. h., dass sie vor dem finiten Verb stehen können.
Beispiel
(3)
Jeden Tag fahre ich nach Hause.
(4)
Am Wochenende fahre ich nach Hause.
Adverbiale sind sie, weil sie nicht vom Vollverb des Verbalkomplexes, also von
fahre, abhängig sind, insofern ihre Form nicht durch das Vollverb festgelegt wird.
Jeden Tag bezieht sich dabei auf eine regelmäßig wiederkehrende Handlung und
am Wochenende auf eine bevorstehende oder ebenfalls regelmäßig wiederkehrende Handlung. Beide spezifizieren die Sätze hinsichtlich der Zeit und sind somit
Temporaladverbiale.
Aus
funktionaler Sicht unterscheiden sich die Wortgruppen folglich wirklich nicht. Bei der Betrachtung
formaler Eigenschaften hingegen fällt auf, dass die Konstruktionen nicht baugleich sind:
Bei
jeden Tag handelt es sich auf kategorialer Ebene um eine
Nominalgruppe.
Jeden fungiert dabei als Artikelwort zu
Tag und ist somit Kopf der Wortgruppe, also das grammatische Zentrum, an dem das Merkmal
Akkusativ markiert ist. Da der Akkusativ in einer Nominalgruppe vorkommt, die ein Adverbial ist, spricht man von einem [/B]adverbialen Akkusativ[/B]. Dieser drückt gewöhnlich ein Maß aus (Duden 4, Randnummer 1246: 2.3.2.3 Der adverbiale Akkusativ), was in diesem Fall
Tag ist.
Bei
am Wochenende handelt es sich um eine
Präpositionalgruppe. Die Präposition
an, die hier als Kontamination (= Verschmelzung zweier Wörter) aus
an mit dem Artikel
dem vorliegt, regiert den
Dativ des Nomens, der am bestimmten Artikel
dem markiert ist. Allerdings ist es in diesem Fall keine Option
an dem auszuschreiben, weil es sich um eine obligatorische Verschmelzung handelt:
Beispiel
(5) Ich fahre
an dem Wochenende nach Hause.
Die Konstruktion in (5) wäre nur zulässig, wenn man ausdrücken wollte, dass man an einem bestimmten Wochenende in Abgrenzung zu anderen Wochenenden nach Hause fährt.
Um zu zeigen, dass der Gebrauch des Akkusativs bzw. des Dativs unabhängig von den Lexemen
Tag und
Wochenende auftritt, wurden die Ausgangssätze abschließend hinsichtlich der Kasus der Temporaladverbiale vertauscht. Durch das Einsetzen von
an in (6) steht nun die Wortgruppe
an jedem Tag im Dativ und durch das Weglassen der Präposition in (7) steht die Wortgruppe
dieses Wochenende im Akkusativ.
Beispiel
(6) Ich fahre
an jedem Tag nach Hause.
(7) Ich fahre
dieses Wochenende nach Hause.
Fazit: Adverbiale werden häufig als Präpositionalgruppen realisiert, dann bestimmt (regiert) die Präposition den Kasus. Es gibt aber auch die Möglichkeit, Temporaladverbiale als adverbiale Akkusative (
jeden Tag) oder adverbiale Genitive (
eines Abends) zu realisieren. Es besteht folglich
keine 1:1 Entsprechung von Form und Funktion, ein bestimmtes Satzglied hat also nicht immer die gleiche Form.
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