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Thema: Wegen mit Dativ oder Genitiv???

  1. #1
    Registriert seit
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    Geisingen
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    Standard Wegen mit Dativ oder Genitiv???

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Ich muss schnell und korrekt Deutsch lernen

    Hallo zusammen,

    seit fast zwei Jahren gebe ich mir große Mühe, Deutsch zu lernen. Immer dachte ich, dass man die Präposition "wegen" mit Genitiv verwenden muss. Als ich heute meine tägliche sprachliche Hausaufgaben machte, habe ich eine Übung getroffen, die mein ganzes Selbstvertrauen zerstört hat. Ich musste einige Schlagzeilen anders schreiben. Und die Aussage lautete: "sechsköpfiger Familie wegen ständigem Lärm der Kinder gekündigt". Uadahell??? Ich dachte, dass "wegen" immer den Genitiv verlangt, aber im vorgenannten Beispiel sehe ich schon einen Dativ, oder??? Und noch was: wieso schreibt man sechsköpfiger Familie,statt sechsköpfige Familie??? Ich bitte Euch alle um Hilfe...
    Vielen Dank,
    Traian

  2. #2

    Standard Rektion der Präposition "wegen" + Valenz des Verbs "kündigen"

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Ihre Fragestellung lässt sich in zwei unterschiedliche Einzelfragen unterscheiden. Einerseits stellen Sie eine Frage zur Reaktion der Präposition „wegen“ (d.h. mit welchem Kasus die Präposition „wegen“ verbunden werden muss) und andererseits zur Konstruktion der Syntax mit dem Verb „kündigen“. Diese zwei Fragestellungen werden im Folgenden gesondert behandelt und beantwortet.

    Frage A: Rektion der Präposition „wegen“

    In Ihrer ersten Teilfrage möchten Sie bezogen auf den Beispielsatz

    Beispiel

    Sechsköpfiger Familie wegen ständigem Lärm der Kinder gekündigt

    wissen, ob die Präposition „wegen“ mit dem Dativ (wie hier im Beispiel: ständigem Lärm) kombiniert werden kann oder mit dem Genitiv verbunden werden muss.

    Vergleichen Sie hierzu auch bereits gestellte Grammatikfragen:
    http://www.grammatikfragen.de/showth...efixid=rektion
    http://www.grammatikfragen.de/showth...en-dessen-quot
    http://www.grammatikfragen.de/showth...d=praeposition

    Sprachsystem


    Standardsprachlich regiert (d.h. verlangt) die Präposition „wegen“ den Genitiv. Allerdings ist auch die Verbindung mit dem Dativ möglich.

    Laut Duden-Band 9 („Richtiges und gutes Deutsch“) ist die Verbindung der Präposition „wegen“ mit dem Dativ so verbreitet, dass beide Konstruktionen grundsätzlich als korrekt eingestuft werden. Analog schreibt die Duden-Grammatik: „Die folgenden vier genitivregierenden Präpositionen erlauben, gerade in der gesprochenen Sprache, auch den Dativ: statt, trotz, während, wegen.“ (Duden-Grammatik, § 917)
    Dementsprechend sind beide Varianten grundsätzlich vertretbar.
     


    Sprachgebrauch


    In einer Sprachgebrauchsanalyse in dem Korpus des Instituts für deutsche Sprache und bei Google soll überprüft werden, ob es bei der Verbindung von der Präposition „wegen“ mit einem Kasus (Dativ oder Genitiv) Präferenzen für eine der Varianten gibt.

    GoogleCosmas II
    „wegen ständigem Lärm“ ca. 139 Treffer 0 Treffer
    „wegen ständigen Lärms“ca. 122 Treffer 0 Treffer

    Problematisch ist hierbei, dass aufgrund der relativ seltenen Verbindung genau dieser Präposition „wegen“ mit der Nominalgruppe „ständiger Lärm“ nur wenige Trefferzahlen (bei Cosmas II keine) gefunden werden, wodurch eine Interpretation der Daten erschwert wird. Jedoch kann man festhalten, dass laut den Google-Ergebnissen beide Kasus gleichberechtigt nebeneinander verwendet werden.

    Um insgesamt höhere Trefferzahlen zu erlangen, bietet es sich an, dasselbe Prinzip (durch „wegen“ eingeleitete Präpositionalgruppe + Nominalgruppe im Dativ bzw. Genitiv) an einem anderen Beispiel zu überprüfen. So ersetzen wir zur Analyse das Adjektiv „ständigem/ ständigen“ durch den definiten Artikel (dem/ des).

    GoogleCosmas II
    „wegen dem Lärm“ ca. 17.500 Treffer 33 Treffer
    „wegen des Lärms“ca. 42.900 Treffer ca. 1.123 Treffer

    Diese Sprachgebrauchsrecherche erzielt höhere Trefferzahlen. Nach ihren Ergebnissen wird der Genitiv signifikant häufiger verwendet.

    Bei einem anderen ähnlich konstruierten Beispiel (Präposition „wegen“ + Nominalgruppe mit vorangestelltem Adjektiv-Attribut) dagegen

    Beispiel

    Wegen starken Schmerzen (Dativ)
    Wegen starker Schmerzen (Genitiv)

    wird bei den Google-Ergebnissen der Dativ häufiger angeschlossen, bei den Ergebnissen von Cosmas II der Genitiv.

    GoogleCosmas II
    „wegen starken Schmerzen“ ca. 14.000 Treffer 10 Treffer
    „wegen starker Schmerzen“ca. 10.700 Treffer ca. 232 Treffer

    Insgesamt kann keine eindeutige Präferenz für einen Kasus festgestellt werden. Beide Varianten werden gleichberechtigt nebeneinander verwendet.
     


    Frage B: Konstruktion des Satzes mit dem Verb „kündigen“ (Valenz des Verbs „kündigen“)

    Neben der Rektion der Präposition „wegen“ (Frage A) interessiert Sie der Kasus der Nominalgruppe

    Beispiel

    Sechsköpfiger Familie

    Im Beispiel ist die Nominalgruppe im Dativ realisiert, Sie schlagen den Nominativ vor. Übergeordnet steht also die Konstruktion des Satzes zur Diskussion. Diese Frage wird mit der Valenz des Verbs „kündigen“ erklärt werden.

    Sprachsystem


    Je nach Lesart fordert das Verb „kündigen“ verschieden viele und verschieden geformte (sprich, in bestimmten Kasus realisierte) „Mitspieler“.
    Wenn Sie vorschlagen, die Nominalgruppe im Nominativ zu realisieren, referieren Sie auf die Lesart

    Beispiel

    jemand kündigt jemanden/ etwas

    im Sinne von „jemand erklärt eine vertragliche Vereinbarung in Bezug auf etwas für beendet“. Bei dieser Lesart fordert die Valenz des Verbs „kündigen“ eine Nominalgruppe im Nominativ (jemand) und eine Nominalgruppe im Akkusativ (jemanden/etwas). Die Handlung „kündigen“ beinhaltet in dieser Lesart einen Agens (der, der kündigt) und ein Patiens (das, das gekündigt wird). In dieser Konstruktion kann „kündigen“ auch als „entlassen“ im beruflichen Kontext verstanden werden.

    Beispiel

    Der langjährige Mitarbeiter kündigt seinen Arbeitsplatz.
    Ich kündige mein Apartment.
    Die Personalabteilung kündigt den ältesten Mitarbeiter der Firma.
    Der Arbeitsplatz wird (von dem langjährigen Mitarbeiter) gekündigt.
    Das Apartment wird (von mir) gekündigt.
    Der älteste Mitarbeiter der Firma wird (von der Personalabteilung) gekündigt.


    In einer weiteren Lesart

    Beispiel

    jemand kündigt jemandem etwas

    wird eine weitere semantische Rolle, die des Rezipienten, mitaufgenommen. Es wird also nicht nur der, der kündigt (Agens) und das, das gekündigt wird (Patiens), sondern auch der, an den die Kündigung gerichtet wird (Rezipient),realisiert.

    Beispiel

    Der Vermieter kündigt dem Mieter die Wohnung.


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    Beispiel

    Der FSV Zwickau kündigte allen seinen Spielern.
    Ford kündigte dem Autohaus Neckar den Händlervertrag.


    Wird diese Lesart im Passiv realisiert, wird zwar das Patiens im Nominativ realisiert, der Rezipient der Handlung „kündigen“ bleibt jedoch im Dativ.

    Beispiel


    Die Wohnung wird dem Mieter (von dem Vermieter) gekündigt.


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    Beispiel


    Der Händlervertrag wurde dem Autohaus Neckar (von Ford) gekündigt.


    Ihr Beispielsatz

    Beispiel

    Sechsköpfiger Familie wegen ständigem Lärm der Kinder gekündigt

    ist zwar passivisch konstruiert (Partizip II), doch sind einige Auslassungen enthalten. Zunächst einmal ist das finite Verb elliptisch ausgelassen.

    Beispiel

    Sechsköpfiger Familie wird wegen ständigem Lärm der Kinder gekündigt

    Neben dem Finitum wird das Patiens (das Objekt der Kündigung) ausgespart. LeserInnen erschließen sich aus ihrem Weltwissen, dass es sich um ein Mietobjekt (eine Wohnung, ein Haus) handeln muss.

    Beispiel

    Sechsköpfiger Familie wird wegen ständigem Lärm die Wohnung gekündigt.

    Einsparungen von finiten Verben und Ergänzungen sind typisch für Überschriften in z.B. Zeitungsartikeln.
    So ist es also nicht die sechsköpfige Familie, die gekündigt wird (im Sinne von „aus dem Arbeitsverhältnis entlassen“), sondern die Wohnung und die sechsköpfige Familie ist der „Rezipient“ der Handlung „die Wohnung kündigen“. Ergo: Da die "sechsköpfige Familie" die semantische Rolle des Rezipienten einnimmt, wird die Nominalgruppe im Dativ realisiert.





     

  3. #3
    SusanneK Gast

    Standard Zweite Erklärung verwirrt und ist nicht vollständig

    Hallo!

    Auch wenn dieser Beitrag schon älter ist... so kann man die Antwort nicht stehen lassen. Der zweite Teil der Antwort verwirrt und trifft nicht den Kern der Frage.

    Wenn es also heißt:

    "Sechsköpfiger Familie wegen ständigem Lärm der Kinder gekündigt". dann heißt es "sechsköpfiger" deshalb, weil ein bestimmter oder unbestimmter Artikel fehlt.

    Zum Kasus: Frage: Wem wird gekündigt?
    Antwort: Der sechsköpfigen Familie => der Familie, femininum, Dativ, (die Familie, femininum, Nominativ)

    Benutzt man aber einen Artikel heißt es "Der sechsköpfigen Familie" oder "Einer sechsköpfigen Familie". Wird der Artikel wie im Beispiel weggelassen, wird die fehlende Artikel-Endung "er" quasi ersatzweise an das Adjektiv angehängt.

    Weitere Beispiele:
    "Der jungen Frau wird geholfen" versus "Junger Frau wird geholfen" (femininum)

    "Dem jungen Mann wird geholfen" versus "Jungem Mann wird geholfen" (maskulinum)

    "Dem kleinen Kind wird geholfen" versus "Kleinem Kind wird geholfen" (neutrum)

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